三陸復興 | Sanriku Fukkou

Deutsch-Japanisches Synergie Forum (DJSF) Sanriku Fukkou e.V.

三陸復興 | Sanriku Fukkou

Kitakyushu – grüne Vorzeigestadt Japans

25. März 2016, 18:57 Uhr
Japan
Als der bunte Rauch verflog

 

Smog, verseuchter Schlamm – Kitakyūshū war einmal der giftigste Ort des Landes. Doch wenn sich im Mai dort die G-7-Energieminister treffen, kommen sie in eine grüne Vorzeigestadt.

Von Christoph Neidhart, Kitakyushu
Die Dōkai-Bucht war tot, das Meerwasser leuchtete orange. Seit 1956 durfte hier niemand mehr fischen. Bis in die Siebzigerjahre hinein lagerte sich eine zwei Meter dicke Schicht Giftschlamm auf dem Meeresgrund ab, der unter anderem Kadmium, Quecksilber, Blei und Arsen enthielt. Aus den Schloten der Hochöfen und Chemiefirmen stieg schwarzer, roter und lila Qualm auf, man nannte ihn „Regenbogenrauch“. Die Kinder litten an Asthma, hatten chronisch entzündete Augen und Hautausschläge. In den Sechzigerjahren war die Stadt im Norden der Insel Kyūshū der verschmutzteste Ort Japans, vielleicht der Welt. Heute ist Kitakyūshū, obwohl dort noch immer Stahl, Keramik und Chemie produziert werden, Japans grüne Vorzeigestadt. Im Mai kommen hier die G-7-Energieminister zusammen. Die Stadt sei energiepolitisch führend, sagte vergangenes Jahr Japans Wirtschaftsminister Yōichi Miyazawa, und ein angemessener Ort für das Treffen.

Kitakyūshū verdankt diesen Wandel seinen Frauen, vor allem den Müttern im Stadtteil Tobata, bis 1963 eine eigenständige Gemeinde. Als Frauenverein kämpften sie seit den Fünfzigerjahren gegen die Verschmutzung der Luft durch „Yawata Seitetsu“, wie das Stahlwerk damals hieß, das heute zu Nippon Steel gehört. Wenn sie ihre Wäsche im Freien aufhängten, wurde sie grau, bevor sie trocken war. Um Argumente zu haben, begannen die Frauen von Tobata, Luft- und Wasserproben zu nehmen. 1965 drehten sie einen Dokumentarfilm: „Wir wollen wieder einen blauen Himmel.“

Die Piloten, die Amerikas zweite Atombombe abwerfen sollten, konnten die Stadt nicht sehen
Die Westinsel Kyūshū verfügt über enorme Kohlevorräte, schon deshalb hat Japan seine ersten Hochöfen 1901 hier gebaut. Über Jahrzehnte produzierte das Yawata-Werk 80 Prozent des japanischen Stahls. Die Stahlwerke waren auch für die Armee so wichtig, dass die Amerikaner das heutige Kitakyūshū zu Beginn ihrer Luftangriffe im Juni 1944 zerstörten. Im August 1945 bestimmten sie Kokura, heute das Zentrum von Kitakyūshū, zum Ziel ihrer zweiten Atombombe. Doch die Piloten, die sie abwerfen sollten, konnten die Stadt nicht sehen. Wolken und Industrie-Smog schirmten sie gegen einen Sichtangriff ab. Nach dem dritten Versuch drehte die Crew in Richtung des Ersatzziels ab: Nagasaki. Dort war das Wetter besser und die Luftverschmutzung geringer.

 

Gemäß einer Studie der japanischen Regierung aus dem Jahr 1970 senkten sich in den Sechzigern bis zu 98,5 Tonnen Ruß pro Tag und Quadratkilometer auf die Stadt ab. Im Dezember 1969 enthielt die Luft bis zu 830 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft, das Sechsfache des damaligen Grenzwertes in Japan, fast das Zwanzigfache der heutigen EU-Grenzwerte. Auch die Schwellen für Stick- und Schwefeloxide, Kupfer, Mangan, Zink wurden um ein Vielfaches überschritten. Im weniger belasteten Tokio mussten in einer einzigen Woche im Juli 1970 8000 Menschen wegen smogbedingter Augen- und Atemwegsleiden ins Krankenhaus, viele Bäume starben.

 

Schwarzer Rauch über Kitakyūshū. Früher war das Alltag, heute qualmt es in der japanischen Industriestadt vor allem, wenn es brennt.

(Foto: Kyodo/Reuters)

 

Früher war das Alltag, heute qualmt es in der japanischen Industriestadt vor allem, wenn es brennt. (Foto: Kyodo/Reuters)
Für Kitakyūshū gibt es keine solchen Zahlen, sicher lägen sie höher. Der Wind trug den Giftsmog auch in ferne Provinzen und bedrohte dort die Landwirtschaft. Doch der japanischen Regierung ging es, schrieb die New York Times damals, nur um das Wachstum der Wirtschaft von jährlich zehn Prozent. Sie ignoriere das Wohl der Bevölkerung, so die Times; die Regierung von Eisaku Satō, dem Großonkel von Premier Shinzō Abe, habe im Juli 1970 nur widerwillig eine „Zentrale für Maßnahmen gegen die Umweltzerstörung“ geschaffen.

In Kitakyūshū erzählt man die Geschichte anders, vor allem die Männer. Als die Mütter von Tobata, entsetzt über die rußverschmierten, verschwärten Gesichtern ihrer Kinder mit ihren Messresultaten bei der Stadt und der Industrie vorstellig wurden, hätten sich Politik und Wirtschaft mit den Frauen zusammengetan, um das Leben hier gemeinsam zu verbessern, sagt Satoshi Nakasone, Direktor des Umweltmuseums. „Frauen schlägt man nichts ab.“ Niemand habe in Kitakyūshū vor Gericht gehen müssen, fügt er hinzu und meint damit Minamata im Süden von Kyūshū.

Dort vergiftete die chemische Fabrik Chisso von 1956 an mehr als 10 000 Menschen mit Quecksilber, 2000 schwer. Einige Opfer mussten bis 2010 vor den Gerichten um Kompensation kämpften. Nicht erklären kann der Museumsdirektor allerdings, wieso es zwei Jahrzehnte dauerte, bis die Frauen Gehör fanden. Ein pensionierter Stahlwerks-Angestellter, der im Museum Kindern Recyclingprozesse erklärt, verrät unwillentlich, wie seine Bosse damals argumentierten: „Die Verschmutzung kam auch von den Haushalten und vom Verkehr“, sagt er. Bürgermeister Kenji Kitahashi sieht das anders: „Nach jahrelangen Debatten hat die Industrie eingesehen, dass auch sie selber so nicht überleben kann.“ Er lobt die Frauen für „ihren Mut und ihr Handeln“.

Von Mitte der Siebziger an zogen in Kitakyūshū tatsächlich alle am gleichen Strang. Die Stadt wurde zum Modell einer Umweltsanierung. Sie führte die strengsten Umweltvorschriften Japans ein und machte der Privatwirtschaft in 174 Verträgen scharfe Auflagen. Der Giftschlamm wurde aus der Dōkai-Bucht gehoben, im Umweltmuseum sind Proben des zähen rostbraunen Schleims zu sehen. Bis Ende der Achtzigerjahre konnte die Staubbelastung um 90 Prozent verringert werden. In den Neunzigern kehrten mehr als hundert Fisch- und Muschelarten in die Bucht zurück. 1992 zeichnete die UNO-Konferenz für Umwelt, später auch die Weltbank und die OECD, Kitakyūshū für sein „grünes Wachstum“ aus.

90 Prozent
… weniger Staubbelastung hat die Stadt Kitakyūshū, seit sie mehr als 170 Umweltverträge mit der Privatwirtschaft schloss. Das begann in den 1970er-Jahren. Die Stadt setzte so die strengsten Umweltvorschriften Japans durch. In der Dōkai-Bucht wurde der Giftschlamm gehoben, in den Folgejahren kehrten mehr als hundert Fisch- und Muschelarten dorthin zurück.

Geholfen hat Kitakyūshū allerdings auch, dass 1972 die letzten Kohlegruben geschlossen wurden; nicht für die Umwelt, sondern weil Importkohle billiger ist. Die Industrie baute viele Arbeitsplätze ab, sie beschäftigt nur noch 20 Prozent aller Arbeitnehmer. Mit 3000 Stellen ist das Stahlwerk dennoch der größte Arbeitgeber.

Als Bio-Idylle darf man sich die grüne Vorzeigestadt mit ihren 900 000 Einwohnern dennoch nicht vorstellen. Autobahnen auf Stelzen durchschneiden die zur Stadt vereinten Gemeinden zwischen der Küste und steilen Waldhängen. Ihre Bauten sind gesichtslos grau. Noch immer steigen Dampf und Rauch aus Schloten. Doch die Stadt treibt den Umweltschutz voran. Sie hat früh mit Mülltrennung begonnen und baut eine Eco-Town, wo sie bereits PET-Flaschen recycelt und künftig Verpackungsmaterialien und Autoteile zu Rohstoffen verarbeiten wird. „Wahrscheinlich bin ich der einzige Bürgermeister, der mit dem Sammeln von Müll berühmt geworden ist und daraus eine Industrie gemacht hat“, sagte Kitahashis Vorgänger Kōichi Sueyoshi.

Die Stadt testet die Energieversorgung von Wohnhäusern mit Wasserstoff, der kleine Brennstoffzellen zur Stromproduktion antreibt. Dazu hat sie eine Wasserstoffleitung durch ein Viertel gelegt. Auf ihren Straßen verkehrt eine kleine Flotte Brennstoffzellen-Autos, die an der Zapfsäule Wasserstoff tanken, hier ein Nebenprodukt der Stahlproduktion.

Davon überzeugt, dass Strom künftig lokal produziert wird, baut die Stadt vor der Küste eine Windfarm, aber auch zwei Gaswerke und ein Kohlekraftwerk. Der Umweltschutz ist zum Exportprodukt geworden: Kitakyūshū bietet verdreckten Industriestädten, Dalian in China zum Beispiel, Know-how und Unterstützung an.

In Kitakyūshū waren es die Mütter, die den Kampf gegen die Umweltzerstörung anführten. Jetzt fordert die Mehrheit der Japanerinnen den Ausstieg aus der Kernenergie. Dabei ist ausgerechnet Kyūshū derzeit die einzige Region Japans mit Atomstrom. Sollten die Männer da nicht von der Erfahrung ihrer Frauen lernen?

Bürgermeister Kitahashi betont, Kitakyūshū hänge nicht am Netz von „Kyūshū Electric“. Seine Stadt beziehe den Strom vom Stahlwerk. Die grüne Vorzeigestadt ist atomstromfrei. Dennoch scheut der Bürgermeister eine klare Stellungnahme gegen die Atompolitik der Regierung. „Das ist ein schwieriges Dilemma. Aber als Bürgermeister fühle ich mit der Gesellschaft, vor allem mit den Müttern.“

大槌高生がドイツの学校訪問 被災体験、復興状況紹介 「真剣に聞いてくれてうれしかった」 /岩手

日本の唱歌「ふるさと」を披露する大槌高の吹奏楽部員たち(奥)=ドイツ北部ビーレフェルトで

 【ビーレフェルト(ドイツ北部)中西啓介】大槌町の県立大槌高吹奏楽部の女子生徒4人が15日、ドイツ北部ビーレフェルトのギムナジウム(日本の中学高校に相当)を訪問した。生徒たちは東日本大震災での自らの体験や震災から5年が過ぎた町の復興状況を紹介し、同世代のドイツの学生と意見交換した。

 今回の訪問は、日独の若者交流を通じて被災地復興への貢献を目指す社団法人「独日三陸復興シナジーフォーラム」のドイツ人参加者らが2014年9月に、大槌高吹奏楽部を訪問したことがきっかけで実現した。

 生徒は大槌町の被害状況や、新たに建設が進む町立の小中一貫校などについて、写真を使って説明。法人のゲーザ・ノイエルト代表が東北全体の現状や福島第1原発事故の影響を紹介した。質疑応答ではドイツの学生から「防潮堤で今後、津波被害は防げるのか」「原発事故による発がんリスクの詳細な資料はないのか」などの質問が出た。

 講演の最後に生徒たちは日本の唱歌「ふるさと」を演奏した。同高2年の北湯口佳澄(かずみ)さん(17)は「皆さんが真剣に聞いてくれるのでうれしかった。発がん性の問題など、遠くの国で起きた事故のことをちゃんと考えていて感心しました」と振り返った。

 ギムナジウムのミヒャエル・ビートゥルスキー教諭は「ドイツの学生は15、16歳で大震災のことを詳しく知らない世代。当事者の生の体験を聞けたことは貴重だった」と話した。

5 years after earthquake, residents publish book on unsafe evacuation spot

KESENNUMA, Miyagi – About 30 per cent of the people in Kessenuma’s Suginoshita district perished or went missing in the Great East Japan Earthquake and the subsequent tsunami on March 11, 2011. Now residents of the district are planning to publish a book at their own expense about the tragedy that took so many lives.

The book will be published on the fifth anniversary of the disaster on March 11, and comprise the reminisces of the families of 93 victims in the district. Many of the victims were swept away by the tsunami that inundated a hill designated by the Kesennuma municipal government as an evacuation site. A woman who lost her father interviewed the families of the victims.

Former resident Atsuko Onodera, 54, came up with the project to publish the book. „I want the next generation of people to understand that many lives were lost at a place the city had designated for evacuation in emergencies,“ Onodera said.

On the day the earthquake occurred, Onodera was in the centre of the city on business. Following the earthquake, she hurried to Suginoshita Takadai, a hill 11 meters above sea level, to check on her parents who lived with her. However, she left the hill by car after hearing someone shout that a tsunami was coming. Her mother was found safe as she had evacuated to a different place, but the tsunami killed her 80-year-old father near the hill.

Before the disaster, 312 people belonging to 93 households lived in the district. Afterward, the residents dispersed. Onodera has visited each of them since spring 2013 in attempt to record their memories of what happened.

„We thought the tsunami wouldn’t reach up there,“ said Shukuko Miura, a 70-year-old woman who lost her house on the hill. „That was a fatal mistake.“

It had been reported that the hill was not affected by tsunami caused by Sanriku coast earthquakes in the Meiji and Showa eras, so Suginoshita Takadai was excluded by the prefectural government from the list of places that would be flooded by tsunami caused by an earthquake off the coast of Miyagi Prefecture.

The Kesennuma city government also designated it as an evacuation area after holding talks with local residents. The residents held evacuation drills, which included escaping to the hill, twice a year.

Immediately after the quake, Miura let residents fleeing the tsunami into a greenhouse near her home. After that, however, she was sucked under by the tsunami at her home. When she regained consciousness, Miura found herself lying under debris.

Her husband, Shozo Miura, 67, was killed when he drove a car to evacuate elderly people to a higher place.

„We don’t want any more unforeseen events in regard to disasters,“ Onodera said. „We must pass down to our children and grandchildren what happened to our hometown.“

She interviewed or received contributed stories from 60 residents in the district. On behalf of a group of relatives of disaster victims, Onodera decided to publish a book titled „Towa ni Suginoshita no Kioku“ (Memories of Suginoshita forever). Several hundred copies are to be printed and distributed to local residents.

Prepare life jackets

The Great East Japan Earthquake and tsunami killed many people who fled to evacuation places designated by local governments.

According to the Miyagi prefectural government, 220, or 22 per cent, of 1,021 evacuation places designated by 15 municipalities along the coast were inundated by tsunami. For example, 54 people were killed at a two-story building that housed the branch office of the Ishinomaki city government and the community centre in the city’s Kitakami district.

According to a report on the disaster compiled by the Rikuzen-Takata city government, 303 to 411 people were killed at nine designated evacuation places such as a civic hall and a gymnasium.

„The city should seriously reflect on its failure to review the designation of evacuation sites because it accepted the prefecture’s tsunami forecast without a shadow of doubt and trusted blindly that tsunami would never be larger than forecast,“ the report said.

„Designated evacuation places are not always safe,“ said Prof. Fumihiko Imamura of Tohoku University, who specializes in engineering to deal with tsunami. „Every possible safety measure should be taken, such as preparing life jackets and boats to escape in emergencies.

– See more at: http://news.asiaone.com/news/asia/5-years-after-earthquake-residents-publish-book-unsafe-evacuation-spot#sthash.4CFqLgmK.dpuf

Fukushima food products still shunned by 15 percent of consumers: survey

Over 15 percent of people still hesitate to buy food produced in Fukushima Prefecture out of concerns over radiation materials emanating from the Fukushima No. 1 Nuclear Power Plant disaster, a survey released by the Consumer Affairs Agency on March 10 has shown.

According to the survey conducted in February this year, 15.7 percent of consumers said they hesitate to purchase food items produced in Fukushima Prefecture for fear of radioactive substances, down 1.5 percentage points from a previous survey in August last year. While the figure was on a downward trend, the survey found more than 10 percent of consumers were still shying away from Fukushima-produced food items.

The Fukushima Prefectural Government conducted a total of 22,514 radiation monitoring tests on 490 items produced in the agricultural, forestry and fisheries sectors within the prefecture between April 2015 and February 2016. Of them, radiation doses were below the standard levels in 22,496 tests — or 99.9 percent of all screenings.

The Consumer Affairs Agency’s survey was conducted over the Internet covering residents in Tokyo and 10 other prefectures in and outside disaster-hit regions, including main consumers of items produced in the disaster-affected areas. Of them, 5,176 people responded to the survey.

According to past surveys, 19.4 percent of respondents hesitated to purchase food produced in Fukushima Prefecture in the first survey conducted in February 2013. While the figure had since been on the decline, it shot up to a record 19.6 percent in the August 2014 survey after controversy arose over a manga depicting the protagonist who had a bleeding nose after visiting the stricken nuclear plant. The figure had since decreased again.

„There are people who say they do not eat food (from Fukushima) without being aware of the situation well, but just because they feel uneasy. We have no choice but to continue dispatching information patiently,“ said a representative of the Consumer Affairs Agency.

FIVE YEARS AFTER: Their job done, interim FM radio stations going off-air in Tohoku

An announcer, right, reads the names of victims of the Great East Japan Earthquake and tsunami in the studio of FM Aozora in Watari, Miyagi Prefecture, on March 11. (Misuzu Sato)

An announcer, right, reads the names of victims of the Great East Japan Earthquake and tsunami in the studio of FM Aozora in Watari, Miyagi Prefecture, on March 11. (Misuzu Sato)

March 19, 2016

By MISUZU SATO/ Staff Writer

The airwaves over Tohoku will soon be a lot quieter.

Small FM radio stations that sprouted after the 3/11 earthquake and tsunami disaster are gradually going off-air–having fulfilled their role as emergency stopgap providers of local news and information.

Three of the nine stations, called “Rinji Saigai FM” (interim disaster FM), will call it a day by the end of this month. One of them, FM Aozora (FM blue sky) in Watari, Miyagi Prefecture, will shut up shop on March 24.

On March 11, the fifth anniversary of the Great East Japan Earthquake and tsunami, the announcer, wearing black, switched on the studio microphone just after 1:30 p.m. to read the names of 306 victims of the disaster along with their ages and other information. Many of the victims were residents of Watari.

“We must not forget the fact that each of the victims had his or her own name and lived his or her own life,” said Kei Yoshida, 55, a representative of FM Aozora.

The radio station first began to read the names of the victims in April 2011. Initially, the program was intended to convey residents that people they knew had perished. The names were read once in a month until March 2013. Since then, they have been read once a year.

FM Aozora opened 13 days after the disaster. In those days, its staff members went about by bicycle to gather information on food availability at supermarkets, fuel supplies and electric power outages.

Later, the broadcasts expanded to include information about emergency preparedness drills at elementary and junior high schools and other matters of local interest.

Some information was offered in other languages.

The annual operating costs of around 16 million yen ($143,440) were mainly covered by subsidies from the central government and donations. However, town authorities decided to close the station when they reviewed projects for fiscal 2016 starting in April.

Media reports of the planned closure led to a petition campaign to keep the radio station going. Already, 9,358 people have signed their names.

FM Aozora is now looking for ways to survive as a commercial FM radio station.

Another radio station, Onagawa Saigai FM, in Onagawa, also in Miyagi Prefecture, will terminate its live broadcasts on March 27.

The radio station came to nationwide attention after it was featured in a TV drama. But it is difficult to keep going due to a shortage of funds and staff.

After March 27, the Onagawa town government will continue to air programs once a week by buying a time slot from TBC (Tohoku Broadcasting Co.) Radio based in Sendai, capital of Miyagi Prefecture.

Another radio station, Otsuchi Saigai FM, in Otsuchi, Iwate Prefecture, delivered its final broadcast on March 18.

“The radio stations are witnesses to changes in the areas affected by the disaster,” said Tomoko Kanayama, a professor of media and communication at the Institute of Advanced Media Arts and Sciences, who has studied the roles that the radio stations played.

She noted that it is not so easy to gather sponsors and supporters to survive as a commercial FM radio station. It is also difficult for local governments to provide sufficient financial support.

“Given that more natural disasters could occur in the future, it would be necessary to discuss ways to maintain local radio broadcasts,” she said.

By MISUZU SATO/ Staff Writer

Prolonged stay in temporary housing hurts health of disaster evacuees

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The prolonged stay in temporary prefabricated housing structures of evacuees from the Great East Japan Earthquake is taking a toll on their health, with an increasing number of residents requiring nursing care or other support.

On Nov. 1 last year, at one temporary housing community situated on the playground of Shizugawa Elementary School in Minamisanriku, Miyagi Prefecture, residents noticed that the lights in the housing unit of the 69-year-old head of the neighborhood association were still on late into the night. Concerned, they reported the situation. The man was later found inside, dead in his bathroom.

This man had, shortly after the disaster, been one of the evacuees taking refuge at a town gymnasium. As up to around 1,500 evacuees gathered there, he took on the role of head of the shelter’s „neighborhood association.“ Faithfully performing the duties asked of him, he was trusted by the other evacuees. When he moved into temporary housing two months later, he kept his position as head of the neighborhood association, busily working at distributing fliers and gathering people for events.

However, the man rarely showed up at the community’s social events, and multiple residents witnessed him drinking hard liquor at his home from the morning hours.

„Dying at (what was supposed to be) a temporary home … Five years is a long time,“ says the man’s 72-year-old brother, who lives at a different temporary housing community.

Since 2012, the Miyagi Prefectural Government has been checking on the health of evacuees in temporary housing every year. In the latest survey, conducted from September through November last year, in which it received responses from 3,842 households, 19.8 percent of respondents said their health was „not very good“ or „very bad,“ the highest percentage to say so in the prefecture’s surveys in the past four years. Additionally, 7.5 percent of the people in the survey were recognized as strongly tending toward anxiety or depression, higher than the national average of 4.4 percent as found by a 2013 nationwide survey using the same method.

Prolonged living in temporary housing is especially hard on the elderly. At Daiichi Junior High School in Rikuzentakata, Iwate Prefecture, which hosts over 100 temporary residences, 80-year-old Zenichi Kumagai collapsed on the morning of Dec. 7 last year while trying to board a bus to take him to nursing care. It happened just after he had been holed up in his small housing unit for a few days with a cold. His 78-year-old wife Sayoko says, „It seems that his blood circulation worsened because he hadn’t been moving much.“

At the time when the disaster struck, Kumagai had been diagnosed as needing a moderate level of nursing care, but he was capable of walking. After moving into temporary housing, he got outside less often, and the housing unit he and his wife lived in was only around 30 square meters in area and could become very cold. Kumagai’s health worsened, and from October last year he began needing a greater degree of nursing care. He started going as an outpatient nearly every day to receive these services. He lived through his collapse, but in late February this year he moved into a nursing home and is now nearly bedridden.

„If it weren’t for the earthquake disaster, he probably wouldn’t have gotten this bad,“ Sayoko laments.

As of October last year, 18.9 percent of Rikuzentakata’s population of those aged 65 and older was certified as needing care or support, an increase of 3 percentage points over the course of five years and more than the national average of 18.0 percent. The jump in certifications nationwide over the five years averaged 1.36 points, while for the disaster-hit prefectures of Iwate, Miyagi and Fukushima the average increase was 2.04 points.

Yoshiaki Takahashi, head of Rikuzentakata’s long-living society division, says, „We don’t have data to back this up, but with many elderly people living in small temporary housing units, the figures may be related to the fact that they are living in stressful environments.“

Yasutake Tomata, instructor of public hygiene at Tohoku University, who has been conducting health surveys on elderly people in the disaster-hit areas, says, „The activity level of disaster survivors has clearly fallen during their prolonged stay in temporary housing. The change in (living) environment from the disaster is having an effect (on how they live).“

‘Great Wall’ tsunami barrier making waves

|     Lars Nicolaysen     |

Koizumi, Japan (dpa) – Masahito Abe gazes out across the gentle ocean swells lapping at the same shore where a wall of water came up the beach almost four years ago.

On March 11, 2011, a 9.0-magnitude earthquake triggered a tsunami that killed 40 people in Abe’s hometown of Koizumi alone.

Hundreds more communities along the northeast coast of Japan were hit, with almost 19,000 people losing their lives.

The giant wave reared as high as 23 metres as it came up the beaches of Miyagi province, one of the worst affected, killing dozens of villagers working on the largely unprotected agricultural seaboard.

To safeguard Japan’s coast against future tsunamis, the government is gearing up to construct and expand hundreds of sea walls.

Around 30 per cent of Miyagi province’s 830 kilometres of coastline will theoretically soon be shielded with masses of reinforced concrete against all but the mightiest onslaughts from the sea.

But critics of the plan like Abe detest what’s becoming known as the “Great Wall of Japan.”

Masahito Abe with the beach of Koizumi, Japan behind him. DPA

“What utter nonsense,” the schoolmaster says about the 800-metre-long, 22-billion-yen (187-million-dollar) concrete bulwark that is planned for Koizumi, one of the largest individual floodwall projects in Miyagi.

Standing 14.7 metres tall, the breakwater would scarcely reach halfway up the wave height of the 2011 tsunami. And it is also questionable just what it would really protect.

Currently just a name on the map, the small town of Koizumi, population 1,800, will be rebuilt three kilometres inland, out of reach of a similar disaster. Residents who are still housed in temporary shelters are expected to start building their new homes soon.

Abe, who relocated his house onto a hill more than a decade ago because of the persistent tsunami threat on this coast, fears the wholesale destruction of ecosystems through construction of the barrier.

Violently flooded areas of Koizumi used to host more than 100 animal species, but the tsunami has changed the coastline and lowered the beach, causing many animals to vanish or dwindle.

“That’s nature,” he says stoically. “Traces of the tsunami should be left so that future generations learn from the experience here.”

But the remaining diversity of species can still attract tourists to the region, he believes, while the wall would completely ruin the natural environment.

Critics like Abe also warn against the false sense of security the barriers might give to people. While there were cases where existing sea defences saved lives in 2011, there were others where people died because they stayed where they were, believing the walls could not be breached.

Tatsuya Sato, head of the local planning authority, rejects the arguments against the barrier project, insisting that Koizumi constitutes a clear danger zone.

“There are large agricultural areas and irrigation facilities, a salmon farm, Highway 45 and a railway line,” he explains. Then there’s a kindergarten, retirement home and a shrine, which would be used as a shelter in emergency situations.

“For this reason, we regard construction of a wall as absolutely essential,” says the official.

Such a huge tsunami will occur once every 1,000 years, it is calculated. But if there is a repeat catastrophe on the same scale in the near future, the wall alone would be woefully insufficient. So escape routes and evacuation drills are also important to the province’s emergency contingencies.

Yet the proposed concrete defences are deemed vital because they can fend off most lesser tsunamis likely to occur. And the bulk of Koizumi’s population already gave their consent to the construction plan at a meeting, the official adds.

The schoolmaster snorts at the notion that anyone was properly consulted. Since those that attended the meeting initially asked no questions, the planners simply interpreted that as consent, he says.

What’s more, he believes the residents have been duped into thinking that the slow reconstruction work of their new houses and streets will only pick up pace once the concrete walls are built.

Critics of the seawall plan think it is really all about the government wanting to shovel lucrative contracts towards the construction industry, one of the strongest bases of support for the Liberal Democratic Party of Prime Minister Shinzo Abe.

Whatever the case, some residents of Koizumi have already sold their land by the sea to the state for construction of the huge barrier.

The views to the ocean horizon are uninterrupted today, they may soon be blotted out for shoreline dwellers. The bulldozers are expected to start working in the very near future.

Die japanische Mauer – Tsunami Schutz

Mit jedem neuen Tsunami betoniert Japans Regierung die Küste mit noch höheren Schutzwällen zu. Fünf Jahre nach der letzten Katastrophe trauen die Bürger ihnen nicht mehr – zu Recht, meinen Experten.

Von Christoph Neidhart, Otsuchi

Als der Tsunami vor fünf Jahren Otsuchi überfiel, da hatte Kozo Hirano mit Kollegen im Rathaus gerade begonnen, eine Kommandozentrale einzurichten. Das Erdbeben hatte im Fischerstädtchen erhebliche Schäden angerichtet. Die Tsunami-Warnung, die ergangen war, beunruhigte den Beamten dagegen kaum. Otsuchi hatte eine zehn Meter hohe Schutzmauer – so hoch, dass man die Bucht vom Rathaus aus nicht sah.

Als die Sturmflut über die Mauer schwappte und sie teilweise niederriss, versuchten die Beamten, sich aufs Rathausdach zu retten. Aber die Treppe war eng, die meisten schafften es nicht. Vierzig kamen um, auch der Bürgermeister.

„Vor meinen Augen wurden einige meiner Kollegen vom Dach geschwemmt“, erinnert sich Hirano. Auf die Fluten folgte ein Feuer, Otsuchi brannte drei Tage. „Ich dachte oft, es wäre einfacher gewesen, ich wäre auch gestorben“, sagt der 60-Jährige.

Er hat weiter gemacht und ist seit vorigem Jahr der Bürgermeister von Otsuchi. Von 16 000 Einwohnern sind 813 umgekommen, 421 gelten als vermisst. 60 Prozent der Häuser wurden zerstört. Es dauerte vier Jahre, bis die Trümmer wegräumt waren.

Und der Wiederaufbau gestalte sich umso schwieriger, sagt Hirano, da aus Otsuchi noch mehr Menschen abwanderten als anderswo aus der Provinz. Vor allem junge Familien.

Der neue Schutzwall wird noch höher
Vom Kulturzentrum auf dem Shiroyama-Hügel, in dem die Verwaltung Unterschlupf gefunden hat, geht der Blick über das brachliegende Flussdelta, auf dem das Städtchen stand. Geblieben ist nur die Ruine des alten Rathauses, man streitet, ob sie als Mahnmal erhalten werden soll, oder ob ihr Anblick die Überlebenden zu sehr schmerzt.

Ansonsten ist der einstige Ortskern eine riesige Baustelle, die ganze Ebene wird um vier Meter angehoben. Die Schutzmauer, die den Fluten nicht standhielt, wird durch eine stärkere, mit 14,3 Meter noch höhere ersetzt. Den Tsunami von 2011 könnte auch sie nicht stoppen, seine Wellen waren 16 Meter hoch.

3000 Menschen leben noch in Containern

Im ersten Schock wollten die meisten Leute den höheren Schutzwall. „Nun sind viele dagegen“, sagt eine junge Mutter, „Otsuchi ist ein Städtchen der Fischer, die vom Meer leben. Es sehen wollen. Aber man kann nichts machen.“

Experten warnen, Tsunamiwälle würden die Menschen in falscher Sicherheit wiegen. Die Beamten von Otsuchi sind ein Beispiel dafür. „Die Zentralregierung hat das beschlossen“, sagt Bürgermeister Hirano zur neuen Mauer. Tokio zahlt ihren Bau, entlang der Sanriku-Küste finanziert es 400 Kilometer neue Schutzwälle. Für deren teuren Unterhalt muss dann die Präfektur aufkommen, die, wie Beamte freimütig zugeben, dafür aber kein Geld hat.

In Otsuchi wohnen nach fünf Jahren noch 3000 Menschen in Containern, ein Viertel der Einwohner. Der Bau neuer Häuser zieht sich hin. Alle klagen, es gebe zu wenig Arbeiter, das Bauen würde stets teurer, das Material auch. Sie machen die Olympischen Spiele dafür verantwortlich, für die Tokio Baukapazität abziehe, die zur Nothilfe gebraucht würde.

Alkoholismus und Depressionen

In den Containersiedlungen leben die Menschen eng zusammengepfercht, es kommt zu Konflikten, Alkoholismus, Depressionen und Suiziden. Hilfsorganisationen versuchen, den Menschen einen Sinn zu geben. Im Komplex Kozuchi 8 mit 120 Containern wurden für die Frauen eine Nähgruppe organisiert, die in fünf Jahren für fast eine Million Euro Kleider produziert hat.

Für Schüler aus den Notunterkünften gibt es eine Abendschule. Dort könne sie ihre Hausaufgaben machen, im Container mit der ganzen Familie finden die Kinder keinen Platz zum Lernen.

Klagen über den Lärm der Nachbarn
Die Menschen sehnen sich danach, endlich wieder in Häusern zu wohnen. Aber sie seien dann oft enttäuscht, erzählt die Sozialarbeiterin Wakako Usuzawa. „Viele beklagen sich über den Lärm der neuen Nachbarn“, so sehr hätten die Jahre im Container sie gestresst.

Otsuchi hat stets vom Fisch und seiner Verarbeitung gelebt, vor allem vom Lachs. Auf der Nordseite der Bucht, wo die Betontrümmer der Tsunamimauer noch heute liegen, ist ein neuer Pier gebaut worden. Daneben hat sich eine kleine Verarbeitungskooperative eingerichtet. Aber die Fänge sind gering, nach dem Tsunami haben die Fischer 2011 keine jungen Fische ausgesetzt, das rächt sich jetzt.

Wer soll neue Kühlhäuser bauen?

 

Schlimmer noch, meint Masakazu Haga, der Chef der Kooperative, sei, dass Otsuchi keine Kühlhäuser mehr habe. „Nicht einmal unsere eigenen Fischer wollen unseren Hafen anlaufen. Sie wissen nicht, wo sie ihre Ware lagern können. Wie sollen wir Fisch verarbeiten, wenn wir keinen bekommen.“ Unklar ist, wer neue Kühlhäuser bauen soll. Haga meint, Tokio müsste helfen. Aber in Tokio ist man damit abgeblitzt.

Zwischen 1896 und 2011 ist die Sanrikuküste von fünf großen Tsunamis heimgesucht worden, 1896, 1933 von ähnlich hohen Fluten wie 2011, 1960 und 1968 von kleineren, die aber auch Tote forderten und Städte verwüsteten. Seit 1933 baut man Tsunamiwälle, nach jedem Tsunami höher und jeweils mit dem Versprechen, der nächsten Katastrophe hielten sie stand.

Auch jetzt wieder. Taro, ein Städtchen 60 Kilometer nördlich von Otsuchi, verfügte sogar über zwei zehn Meter hohe Seewälle, einem inneren und einem äußeren. Die Anlage wurde „Japans chinesische Mauer“ genannt. Zuversichtlich, sie sei stark genug, steigen am 11. März einige Leute auf den Schutzwall, um den Tsunami zu beobachten. Sie wurden in den Tod gerissen. Auch diese Mauern werden wiederaufgebaut, auch sie höher.

Neue Treppen für den Alarmfall

Wohnen sollen die Menschen von Taro künftig jedoch weiter oben. Das Städtchen verteilt Merkblätter, mit denen es die Leute ermahnt, im Falle eines Alarms sofort in die Höhe zu fliehen. In die steilen Hänge wurden neue Treppen gebaut.

Taro behauptet nicht mehr, seine Wälle schützten den Ort vor einem Tsunami, sondern nur noch, sie würden den Menschen helfen, Zeit zu gewinnen. Und die Schäden vielleicht reduzieren.

Im Fotoladen von Taro zeigt der 75-jährige Shigeo Tsuda Glasplatten-Negative, die sein Vater vor und nach jenem Tsunami von 1933 gemacht hat. Die Verwüstung war auch damals total. Auch Tsudas Geschäft war weggespült worden, er konnte es erst kürzlich wieder eröffnen.

„Wir dürften hier auch wohnen“, sagt er. „Aber wir wollen nicht. Wie hoch die Mauern auch sein werden, sicher wird man hinter ihnen nie sein.“

Gedenken an Tsunami und Atomunfall von Fukushima

JAPAN

Die Erde bebte, Tsunamiwellen rollten auf die japanische Ostküste zu und führten zur Atomkatastrophe von Fukushima. Fünf Jahre ist das nun her. Mit einer Gedenkfeier erinnert Japan am Jahrestag an die Opfer.

Nichts gelernt aus Fukushima?

Nach der Katastrophe vor fünf Jahren setzt Japan weiter auf Kernkraft und will die erneuerbaren Energien nur mäßig fördern. Die Zweifel an diesem Energiemix sind groß, wie Martin Fritz in Tokio feststellt. (11.03.2016)

Um genau 14:46 Uhr Ortszeit (6:46 Uhr MEZ) senkte sich an diesem Freitagmorgen Stille über das Land – zu diesem Zeitpunkt begann am 11. März 2011 das verheerende Beben. Mit 9,0 auf der Richterskala war es das bisher schwerste in Japans Geschichte – mit fatalen Folgen: Flutwellen überschwemmen große Teile der Küste im Nordosten, im Atomkraftwerk Fukushima fallen Kühlsysteme aus, in drei Reaktoren kommt es zu Kernschmelzen, Radioaktivität tritt aus. Infolge der Katastrophe kamen nach jüngsten Angaben der japanischen Behörden mehr als 15.800 Menschen ums Leben, mehr als 2500 gelten noch immer als vermisst.

Regierung will Wiederaufbau vorantreiben

Auf der zentralen Gedenkfeier in Tokyo, an der auch Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko teilnahmen, versprach Premierminister Shinzo Abe den Wiederaufbau der besonders betroffenen Region Tohoku schneller voranzutreiben. Die Regierung plant, alle evakuierten Zonen im März kommenden Jahres wieder freigeben zu können. Ausnahmen davon sollen für die besonders stark kontaminierten Gebiete in direkter Nähe zur Atomruine von Fukushima gelten.

Ein Kind vor einer langen Reihe Laternen (Foto: rtr)Erinnern an die Opfer: In der Stadt Natori zündeten die Menschen Laternen an

Für den schnelleren Wiederaufbau versprach Abe, einen neuen Fonds einzurichten. Auch will der Regierungschef mehr ausländische Touristen in die Region locken, damit diese sich einen eigenen Eindruck von den Arbeiten verschaffen könnten. Bewohner der betroffenen Gebiete kritisieren, der versprochene Wiederaufbau werde allem für die Olympischen Spiele im Jahr 2020 vorangebracht und weniger für die Menschen vor Ort.

Schwerster Atomunfall seit Tschernobyl

Die Region Tohoku leidet immer noch stark unter den Folgen der Atomkatastrophe. So wird es noch Jahrzehnte dauern, bis die Atomruine in Fukushima vollständig zurückgebaut ist. Immer noch müssen Zehntausende Menschen weiterhin in containerähnlichen Behelfsunterkünften hausen. Insgesamt waren mehr als 100.000 Menschen nach der Reaktorkatastrophe wegen der Strahlenbelastung umgesiedelt worden.

Menschen beten vor Blumen (Foto: ap)Auch in der Region Namie gedachten Bewohner der Erdbeben- und Tsunamiofper

Die Atomkatastrophe von Fukushima gilt als schwerster Atomunfall seit dem von Tschernobyl im Jahr 1986. Direkt nach dem GAU wurden sämtliche Reaktoren in Japan abgeschaltet, um sie neuen verschärften Sicherheitsvorgaben anzupassen. Die Betreiberfirmen und Regierungschef Shinzo Abe dringen seit langem darauf, die Reaktoren wieder hochzufahren. In der Bevölkerung, die bis zum Unglück der Atomkraft weitgehend unkritisch gegenüberstand, gibt es seit Fukushima aber starke Vorbehalte gegen die Wiederinbetriebnahme der Reaktoren. Die Katastrophe hatte auch Konsequenzen weit über Japan hinaus, so führte sie in Deutschland zur Abkehr von der Atomenergie und zur Energiewende.

Durch die Atomkatastrophe drohen der japanischen Bevölkerung nach Einschätzung zweier Nichtregierungsorganisationen in Zukunft rund 10.000 neue Krebsfälle. Wie die beiden Organisationen PSR und IPPNW, in denen vor allem von Ärzten zusammengeschlossen sind und die die Atomenergie ablehnen, kürzlich in einem Bericht erklärten, werden die Folgen des Unfalls für die öffentliche Gesundheit Japan „noch jahrelang plagen“. Dies dürfe von den Anhängern der Nuklearenergie „nicht unter den Teppich gekehrt werden“.

cw/mm (dpa, afp, ape, rtre)

Leben hinter Betonmauern

Fünf Jahre nach dem Tsunami wappnet sich Japan gegen das Meer.

Keiko Sugawara ist eine entschiedene Gegnerin der Mauer, die ihren Wohnort Kesennuma vor Tsunamis schützen soll. (14. Februar 2016)
Keiko Sugawara ist eine entschiedene Gegnerin der Mauer, die ihren Wohnort Kesennuma vor Tsunamis schützen soll. (14. Februar 2016) (Bild: SONJA BLASCHKE)

Von Sonja Blaschke, Kesennuma

Keiko Sugawara presst ihre Hände gegen die Betonwand, viermal so gross wie sie selbst. Der bitterkalte Wind, der durch den Hafen von Kesennuma schneidet, scheint ihr nichts auszumachen. Sie lächelt fast übertrieben beim Sprechen, so als wolle sie ihre Angst maskieren. Sugawara befürchtet, dass Mauern wie diese die Zukunft der Kinder in der Region gefährden, weil sie die Natur schädigen würden. «Ich mag es überhaupt nicht, wenn Erwachsene Kindern Entscheidungen aufzwingen», sagt die gepflegte, jung aussehende 49-Jährige. «Es tut mir im Herzen weh.»

Wer dieser Tage an der Küste im Nordosten Japans entlangfährt, verliert sich trotz Navigationssystem leicht in einem Labyrinth riesiger Erdaufschüttungen. Befehle abzubiegen, sind mit Vorsicht zu geniessen. Am 11. März 2011 hatte vor der Ostküste Japans ein Seebeben der Stärke 9,0 einen riesigen Tsunami ausgelöst. Die stellenweise über 20 Meter hohen Wellen zerstörten mehrere hundert Kilometer Küste und rissen 18 457 Einwohner aus dem Leben. Sie setzten zudem eine Havarie im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi in Gang, deren Bewältigung Jahrzehnte dauern wird.

Wiederaufbau wird sichtbar

Während rund um das AKW wegen der hohen Strahlenbelastung einige Orte noch heute so aussehen wie nach der Katastrophe, waren in der allein vom Tsunami betroffenen Region Miyagi und Iwate die Spuren der Verwüstung zwei Jahre später beseitigt. Erst jetzt, fünf Jahre nach dem Desaster, tritt dort der Wiederaufbau langsam in die sichtbare Phase ein.

Viele Gemeinden haben beschlossen, teils über zehn Meter hohe Schutzwälle hochzuziehen. Dabei hatte der Tsunami vor fünf Jahren viele Mauern durchbrochen, sogar den weltweit tiefsten Wellenbrecher in Kamaishi. Immerhin habe dieser den Fliehenden sechs wertvolle Minuten Zeit verschafft, sagt der Gemeindepräsident. Die Befürworter warnen davor, dass sich ohne die Mauern der Wiederaufbau verzögere. «Wir kriegen nur Geld von der Regierung, wenn wir diese Mauer bauen», hiess es von Politikern im Wahlkampf.

Aber Gegner befürchten, dass die Beton-Bollwerke die Natur schädigen, etwa weil sie den Nährstofffluss von den Bergen in die Buchten abschneiden. Dies würde in der ohnehin strukturschwachen Region die wichtigsten lokalen Industrien, den Fischfang und den Tourismus, hart treffen. Eine weitere Sorge ist, dass Personen, die später direkt dahinter leben und das Meer nicht sehen, sich in trügerischer Sicherheit wiegen und zu spät die Flucht antreten würden. Dies könnte noch mehr Tote fordern. «Mauern sind notwendig, um Hafengebiete vor Flut und hohen Wellen zu schützen», betont Sugawara. «Aber ich bin gegen Betonwälle von so riesigem Ausmass.»

Eine Mauer soll auf einer Hauptstrasse in Kesennuma verlaufen, wo zu einem wichtigen Fest der Fischer der Festzug entlangzieht. Eine andere soll quer durch eine idyllische Bucht schneiden, die Sugawara und viele andere lieben, um von dort den ersten Sonnenaufgang des Jahres zu geniessen. Anfangs sei sie eine Befürworterin gewesen, räumt Sugawara ein. Doch später sei ihr klargeworden, dass die geplanten Mauern nichts gegen extrem hohe Tsunamis wie vor fünf Jahren ausrichten können, die einmal in mehreren hundert Jahren vorkommen. Sie würden nur kleine, häufigere Tsunamis im Zaum halten.

Personen, die Kritik wagen, gibt es wenige. Das Risiko, von der Gemeinschaft ausgestossen und als jemand hingestellt zu werden, der den Wiederaufbau aufhält, ist vielen zu hoch. Manche befürchten, dass die Gemeinden am Entscheid für oder gegen eine Mauer gar zerbrechen könnten. «Wenn ich mit den Leuten privat rede, stimmen viele mit mir überein», sagt Sugawara, «aber sie trauen sich nicht, das laut zu sagen.»

Die engagierte Frau hat Beistand von unerwarteter Seite: Shigemitsu Sato arbeitet für die Baufirma, die die Mauer in Kesennuma baut. «Es gibt nur wenige Jobs in der Gegend, und ich muss auch von etwas leben», erklärt der 40-jährige Vater von zwei Söhnen vor einem neuen Mauerabschnitt im Hafen. «Ich hoffte, ich könne den Prozess von innen beeinflussen.» Wird die Mauer standhalten?, will Sugawara wissen. Sato ist skeptisch. Die Voruntersuchung sei ungenügend gewesen, die Mauer sei am Schreibtisch geplant worden, ohne die Umgebung einzubeziehen. Wenn schon Mauern gebaut würden, dann lieber innovativere, sagt Sato. In der jetzigen Form würde, sobald Wasser darüber schwappt, dahinter ein riesiger Teich entstehen.

Im benachbarten Minamisanriku hat Yutaka Tabata von der Debatte gehört. Der 70-Jährige bastelt mit älteren Frauen Puppen aus Stoffresten zum Zeitvertreib. Die Frage nach dem Für und Wider der Mauern, die auch dort geplant sind, löst keine grossen Emotionen aus. «Die werden zur Sicherheit gebaut», sagt eine Seniorin neben ihm, «und damit man sich sicher fühlt.» Tabata nickt zu dem Standardargument. Aber er wünsche sich zusätzlich breite Fluchtstrassen und Katastrophenübungen.

Fehlende Diskussionskultur

«Es gibt hier keine einfachen Wahrheiten», sagt Christian Dimmer, Assistenzprofessor für urbanes Design an der Universität Tokio. Was Japan am meisten fehle, sei eine Kultur der Diskussion in einem ergebnisoffenen Prozess. «Eine gute Führung und ein starker Gemeinschaftssinn sind das Wichtigste», sagt Dimmer, «wie in Onagawa.» Obwohl dort 570 von 10 000 Einwohnern umkamen und 80 Prozent der Gebäude zerstört wurden, lehnte die Kleinstadt eine Mauer ab. Die Bewohner ziehen in hoch gelegene Gebiete. «Wir leben vom Meer und mit dem Meer», hört man dort oft.

Trotz Rückschlägen will Sugawara nicht klein beigeben. Sie befürchtet, dass sich sonst bald Nachahmer finden und noch mehr Mauern gebaut werden. Trotz aller Leidenschaft für die Sache setzt ihr der soziale Druck aber zu. Aus Angst vor negativen Folgen für ihren Familienbetrieb, einen Elektrowarenladen, habe sie ihren Einsatz reduziert. Trotzdem gehört sie weiter zwei Gegnergruppen an und postet fast täglich dazu auf Facebook. «Ich habe meiner Familie nicht gesagt, was ich mache», sagt Sugawara verlegen lächelnd, «aber sie wissen es vielleicht ohnehin schon.»

Fünf Jahre nach dem Tsunami Harziger Wiederaufbau im Nordosten Japans

Sendai, Iwanuma, Ishinomaki, Rikuzentakata – das sind alles japanische Städte, die am 11. März 2011 vom Tsunami hart getroffen wurden. Der Wiederaufbau kommt nur zögerlich voran.
  • von Patrick Welter, Sendai
  • 11.3.2016, 06:00 Uhr

«Vor fünf Jahren konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich jetzt in Sendai leben und ein Geschäft haben würde», sagt Fumihiko Tsuda. Er habe gedacht, das werde mindestens zehn Jahre dauern. Der nachdenkliche Kleinunternehmer, der gerne und viel lacht, sitzt in seinem schlichten Einzelhandelsgeschäft in einem Wohnviertel Sendais. Auf Tischen und in Regalen sind die Waren ordentlich aufgereiht. Algen in allen Varianten, Fisch, Fischsuppen und Leckereien rund um das Meer bietet Tsuda an. Der Grossteil der Waren stammt aus Tsudas Heimatstadt, Ishinomaki, die am 11. März 2011 von dem Tsunami an der Pazifikküste grossflächig zerstört wurde.

Das Herz hängt am Alten

Die Tsuda-Familie kam noch glimpflich davon. Die Eltern, die vier Kinder und die Grossmutter überlebten. Das Lagerhaus und die Geschäftsräume des Unternehmens in Ishinomaki wurden verwüstet, doch das zweite Stockwerk blieb bewohnbar. Der heute 53 Jahre alte Tsuda zog schnell auf eigene Kosten in die Millionenstadt Sendai, damit die Kinder in die Schule gehen konnten. In Ishinomaki war nicht abzusehen, wann Schulen wieder öffneten. Seither pendelt er zwischen den beiden Städten. Vor dem Tsunami hatte Tsuda dreizehn Mitarbeiter, die Bento-Boxen und Algenpaste herstellten und auch andere Algenprodukte verkauften. Noch im Herbst 2011 begann er in Ishinomaki mit drei Mitarbeitern, Algen zu verpacken und an Einzelhändler weiterzuverkaufen. Das Einzelhandelsgeschäft in Sendai eröffnete er 2012. Über der Eingangstür hängt das hölzerne Firmenschild aus Ishinomaki, das Nachbarn in den Trümmern wiederfanden.

An diesem Freitag gedenkt Japan der rund 19 000 Menschen, die bei dem Tsunami vor fünf Jahren im Nordosten Japans starben oder seither vermisst werden. Für die Regierung ist der Jahrestag Beginn einer zweiten Phase des Wiederaufbaus und der Revitalisierung. In der ersten Phase hatte sie 25,5 Bio. Yen (225 Mrd. Fr.) bereitgestellt. Für die nächsten fünf Jahre sind nochmals 6,5 Bio. Yen geplant. Doch nach fünf Jahren leben in den Präfekturen Fukushima, Miyagi und Iwate immer noch 180 000 Menschen als Flüchtlinge, 60 000 davon in temporären Containern. Öffentlicher und privater Wohnungsbau hinken dem Bedarf hinterher.

In Fukushima und Iwate schrumpft die Bevölkerung weit stärker als in anderen Landesteilen. Viele Menschen wandern ab. Eine Reise in die Tsunami-Gebiete verdeutlicht, wie unterschiedlich sich nach fünf Jahren der Wiederaufbau entwickelt und wie er in vielen Orten noch stockt.

In Iwanuma, südlich von Sendai, ist von Krisenstimmung nicht mehr viel zu spüren. Am Meer in der Nähe des Flughafens Sendai sind neue Dämme nahezu fertig. Menschen dürfen dort nicht mehr wohnen. Dennoch wurden künstliche Hügel aufgeschüttet, ein Zufluchtsort bei künftigen Flutkatastrophen. Von den Hügeln blickt man auf geräumtes Land. Eine Privatinitiative versucht, in der Leere ein halbzerstörtes japanisches Haus als Denkmal zu erhalten.

Der Bürgermeister von Iwanuma, Hiroo Kikuchi, spricht davon, Unternehmen anzusiedeln und junge Familien anzulocken. Er klingt wie jedes Stadtoberhaupt überall auf der Welt. Eine Strasse sei noch neu zu bauen und einige andere Dinge. Im Grossen und Ganzen sei der Wiederaufbau erledigt, sagt Kikuchi. Besonders stolz ist man in Iwanuma, dass Gemeinschaften, die von Meeresnähe in neue Wohnviertel ins Landesinnere zogen, als Gruppe umsiedelten. Probleme der Vereinsamung in den provisorischen Wohnungen hat die Stadt so im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen vermieden. Es habe keine Selbstmorde in Iwanuma gegeben, sagt der 63 Jahre alte Kikuchi. Drei alte Frauen sitzen am späten Nachmittag in einem Neubaugebiet an einem öffentlichen Platz und plaudern. Zwei Kinder spielen auf einem Spielplatz. Die Häuser, die öffentlichen Grünanlagen – alles sieht noch nagelneu und steril aus.

In der Stadt Ishinomaki, die von dem Tsunami besonders hart getroffen wurde, geht es erheblich langsamer voran. Im Stadtzentrum an der Flussmündung, das völlig überschwemmt war, sind viele Grundstücke geräumt und nicht mehr bebaut. Auch die höher gelegenen Einkaufsstrassen sind vielfach verwaist. «Das vergangene Jahr war für uns das erste Jahr des Wiederaufbaus», sagt Hiroyuki Takeuchi. Zur Zeit des Tsunamis war er leitender Redakteur der Lokalzeitung, seit 2012 leitet er für diese das kleine Newsee-Museum, das an die Katastrophe erinnert. Es fehle an einer starken Führung im Rathaus, klagt Takeuchi über den langsamen Wiederaufbau. Diese Meinung ist in Ishinomaki oft zu hören.

Die Baukosten steigen und nicht nur, weil an der Küste überall neu gebaut wird. Die durch die expansive Geldpolitik der Abenomics angefachte Hochkonjunktur in der Bauwirtschaft zieht Ressourcen aus dem Nordosten ab. Bauunternehmen können wählen, ob sie sich im Wiederaufbau um wenig lukrative öffentliche Aufträge bewerben oder anderswo mehr Geld verdienen. In der Stadtverwaltung von Ishinomaki heisst es, dass Bauunternehmen teilweise 50% mehr Geld forderten, bevor sie einen öffentlichen Auftrag annähmen.

Traum verblichener Grösse

Schon vor der Katastrophe litt die Stadt darunter, dass junge Leute wegzogen. Der Tsunami hat das Problem der schrumpfenden Bevölkerung nur verschärft. Mit der Katastrophe fiel die Bevölkerungszahl in einem Jahr um 10 000 auf 153 000. Rund 3600 Menschen starben oder werden vermisst, rund 6400 Menschen zogen aus Ishinomaki fort. Allein 20 000 Arbeitsplätze seien in der Fischereiwirtschaft verloren gegangen, sagt Takeuchi. In vielen der betroffenen Städte sind heute aber nicht nur Bauarbeiter knapp. Auch in Fischereibetrieben oder in der Gastronomie finden sich offene Stellen. In Ishinomaki leben heute noch 6000 Menschen in Notunterkünften. Die Stadtverwaltung wirkt in manchem sympathisch unbedarft. Gegen den Bevölkerungsschwund organisierte sie im Januar erstmals ein Treffen von Heiratswilligen, bei dem Landwirte Frauen kennenlernen sollten. 19 Frauen kamen, am Schluss gab es 6 Paare, die vielleicht heiraten werden. Medizinstudenten und Pflegekräften will man Teile der Studienkredite erlassen, wenn sie sich in Ishinomaki niederlassen.

Als Zeichen der Erholung verweist Takeuchi auf den neuen Fischmarkt, der mit einer Länge von 880 Metern zu den grössten der Welt gehöre. Der alte Fischmarkt, so heisst es, sei der grösste Asiens gewesen. Ishinomaki müsse auch in anderen Bereichen Nummer eins werden, sagt der 58 Jahre alte frühere Journalist. Mehr noch aber setzt er seine Hoffnung auf junge Menschen, die nach dem Tsunami als Helfer kamen und hängenblieben.

Eine davon ist Nao Tokutake. Auf einem Grundstück mit behelfsmässig eingerichteten Imbissbuden lacht Tokutake aus einem kleinen Wohnwagen, der zur Küche umgebaut ist. Davor stehen ein paar Stühle und Tische. Die 29-Jährige kam aus Okinawa nach Ishinomaki, um zu helfen. Seit einem Jahr versucht sie sich als Unternehmerin mit einem Café. Im Sommer verdiene sie ganz gut mit Touristen, berichtet Tokutake. Jetzt am Jahresbeginn sei das Geschäft eher flau. Wenn der Staat sich einmische, dauere es lange, sagt Tokutake und lobt die vielen Privatinitiativen.

Konditorei mit Tradition

In Rikuzentakata im Süden der Präfektur Iwate sagt selbst Bürgermeister Futoshi Toba, dass der Wiederaufbau hätte schneller vorankommen können. Das Fischereistädtchen wurde im Ausland vielfach zum Symbol der Zerstörung. 4000 oder gut die Hälfte aller Häuser wurden weggespült. 1800 Menschen von 23 300 Einwohnern verloren ihr Leben. Toba kritisiert und erklärt die Verzögerungen im Wiederaufbau damit, dass japanische Gesetze aufs Strengste eingehalten wurden. So dauerte es Monate, bis Neubaugebiete zugelassen wurden. März 2019 nennt der Bürgermeister als Datum für das Ende des Wiederaufbaus. Vom provisorischen Rathaus im Containerstil sieht man auf frischen Baugrund. Eine Bergkuppe wurde abgetragen, um weit erhöht vom Meeresspiegel Platz für 93 neue Wohnhäuser zu schaffen. Zum Meer hin steht eine 12,5 Meter hohe Schutzmauer, wo vor der Katastrophe Zehntausende von Pinien einen Sandstrand einrahmten. Eine «Wunder-Pinie», die als einzige den Tsunami überlebte und erst später an zu viel Salzwasser zugrunde ging, wird als Touristenattraktion erhalten. «Wir sind keine Fans von einer zu grossen Mauer», sagt der 51 Jahre alte Toba, der kurz vor der Flutkatastrophe ins Amt gewählt worden war. Aber wenn man bedenke, dass beim Tsunami 1800 Menschen ums Leben kamen, könne man sich nicht damit aufhalten, über die Schönheit der Landschaft zu sprechen.

Vor der Mauer sieht das ehemalige Stadtzentrum noch aus wie eine Mondlandschaft. Laster bewegen Erde, um Teile des Gebiets um 7 Meter oder mehr aufzuschütten. Menschen sollen dort wieder wohnen, und es soll eine geschäftige neue Innenstadt entstehen. Vor der Katastrophe konnte man für 20 Mio. Yen (176 000 Fr.) ein Haus bauen, heute koste es 25 Mio. Yen, sagt Toba. Bis zu 3 Mio. Yen schiesse der Staat zu. Doch ein Neubau sei oft immer noch zu teuer, wenn unverändert die Hypothek vom alten Haus drücke.

Eiki Kumagai möchte lieber heute als morgen neu bauen. Nach fast fünf Jahren in einem Container hat er genug. Daran gewöhne man sich nicht, sagt der 48 Jahre alte Familienvater mit zwei Kindern. Im Herbst kann er mit dem Neubau des Wohnhauses beginnen. Ein Grundstück im Stadtzentrum hat er gegen höher liegenden Grund getauscht. Auch seine Izakaya-Kneipe muss umziehen. Das Problem aber ist: In der Innenstadt, wo er die Kneipe wieder errichten möchte, ist ihm noch kein neues Grundstück zugewiesen worden. Während er Speisen für den Abend vorbereitet, berichtet Kumagai, dass er überlege, ob er öffentliche Finanzhilfe für den Wiederaufbau seiner Izakaya annehmen soll. «Wir müssen wieder unabhängig werden», sagt er.

Die Konditorei Kimura, die schon 2011 im Container neu eröffnet hatte, findet sich jetzt in einem schmucken und deutlich grösseren Geschäftslokal vor dem Rathaus. Immer noch bietet das 90 Jahre alte Traditionsgeschäft eine der Hausspezialitäten, den Baumkuchen, an. Umsatz und Gewinn hätten sich mit dem Umzug deutlich verbessert, berichtet Juniorchef Yohei Kimura. 75% des Neubaus wurden subventioniert. Man habe nicht mehr warten können, bis das neue Stadtzentrum baufertig sei, merkt der 30-Jährige an. Der Tsunami hat das Leben des jungen Kimura stark verändert. Nach der Schule zog es ihn nach Tokio, wo er Musik und Kunst studierte und als Marketingmanager in der Musikindustrie unter anderem Fanklubs organisierte. 2012 kehrte er nach dem Tsunami in die Heimatstadt zurück.

Wie Kimura will auch Izakaya-Chef Kumagai die Stadt nicht verlassen, er will seinen Kindern den Wiederaufbau zeigen. Er hat aber keine Illusionen, was die Zukunft der alternden Stadt angeht. Wenn in einigen Jahren die Bauarbeiter verschwunden seien, beginne der richtige Kampf, sagt Kumagai. Auch Tsuda, der in Sendai sein Geschäft aufbaut, macht sich Sorgen über die Zukunft. In den ersten Jahren nach der Katastrophe profitierte sein Geschäft noch von solidarischen Kunden, weil in Tokio Firmen Produkte aus den Tsunami-Gebieten besonders beworben hatten.

Fünf Jahre nach dem Tsunami in Japan Verspäteter Wiederaufbau der Herzen

Warum weiterleben, wenn das Schicksal mir mein Kind genommen hat? Diese Frage stellen sich in Ishinomaki viele Eltern. In keiner anderen Schule hat der Tsunami mehr Kinder das Leben gekostet.
  • von Sonja Blaschke, Ishinomaki
  • 12.3.2016, 10:00 Uhr

Toshiro Sato geht in die Hocke, senkt den Kopf und faltet die Hände zum Gebet. Nach einem kurzen Moment richtet sich der sportlich wirkende 52-Jährige auf und geht schnellen Schrittes voran. Der eisige Wind wirbelt Schneeflocken um das zerstörte Gebäude der Okawa-Grundschule. Im früheren Schulhof öffnen Sato und Hideaki Tadano ihre mitgebrachten Mappen; grossformatige Fotos zeigen einen modernen Bau in Backsteinoptik. «So sah die Schule vorher aus», erklärt Sato.

Der rettende Hügel so nah

«Es ist kalt, lasst uns hineingehen», sagt Sato und steigt über verdrehte, abgerissene Stahlstreben in ein früheres Klassenzimmer. Wo einmal die Aussenwand zum Schulhof war, klafft jetzt ein riesiges Loch. Der Raum ist leer, nur die fest installierten Schreibtafeln sind noch an Ort und Stelle. Teile der Zimmerdecke hängen in Fetzen herunter. Auf dem Weg ins Obergeschoss hebt Sato ein verdrecktes Einrad hoch. Damit vergnügten sich die Schüler früher in den Pausen.

Im oberen Stock wölbt sich der Stahlbetonboden eines Klassenzimmers wie eine Beule nach oben. Die Zimmerdecke ist fast bis unters Dach bräunlich gefärbt. «Bis dorthin reichte das Wasser», erklärt Sato. In Regalen stehen noch Bücher, schlammbedeckt. Im Gang zeigt er auf einen Haken an der Wand, «Mizuho Sato» steht darüber. «Das ist der von meiner Tochter.»

Die Zwölfjährige war eine der 108 Schüler der Okawa-Grundschule – wie auch Tadanos neunjährige Tochter Mina. Die beiden Mädchen gehörten zu jenen 74 Kindern, die in den eiskalten Fluten des Tsunamis umkamen. Dieser frass sich am 11. März 2011 nach einem heftigen Seebeben der Stärke 9 über den Kitakami-Fluss vier Kilometer weit bis zur Schule vor und noch weiter landeinwärts. 18 457 Menschen verloren damals entlang der ostjapanischen Pazifikküste ihr Leben. Unter ihnen waren mehr als tausend Kinder. Sato und Tadano besuchen die Schule regelmässig; sie führen auch Gruppen über das Gelände. Sie wollen bei Besuchern das Bewusstsein für das Tsunami-Risiko nach Beben schärfen und ähnliche Tragödien verhindern. Der 44-jährige Tadano wünscht sich, dass möglichst viele Menschen die Ruine in Ishinomaki besuchten, im Fernsehen komme das nicht richtig rüber: «Nur vor Ort können sie am eigenen Körper erspüren, was hier passiert ist.»

Etwa fünfzig Schritte vom Schulgelände entfernt an einem Hang zeigen die Väter auf eine hölzerne Markierung am Waldboden: Bis hierhin kam der Tsunami. Warum flohen die Lehrer mit den Schülern nicht auf die Anhöhe? Man weiss, dass einige Kinder, die losrennen wollten, zurückgerufen wurden. Die Schulbehörde bleibt Antworten schuldig. Der einzige Überlebende der elf Lehrer ist seither krankgeschrieben, verweigert ein Treffen. Seit kurzem läuft ein Gerichtsverfahren gegen die Stadt Ishinomaki. Es gehe ihnen nicht darum, Leute in die Enge zu treiben, sagt Tadano, sondern darum, Probleme im Hinblick auf die Zukunft zu lösen.

Erst 2013 sei ihnen psychologische Betreuung angeboten worden, erinnern sich die Väter. Zu spät für viele Hinterbliebene. Tadano, der neben seiner Tochter auch seine Frau und seinen Vater verlor, sagt, er könne inzwischen darüber sprechen; andere schafften dies noch heute nicht. Viele Ehen seien daran zerbrochen. Ihn habe eine Interviewanfrage aus der Starre gerissen. Erst mit einer Fernsehjournalistin habe er bestimmte Orte wieder aufsuchen und Worte finden können. Gespräche wie auch dieses seien seine Therapie.

Fünf Jahre nach dem Tsunami gibt es Forderungen, die Ruine des Schulgebäudes abzureissen. Der Anblick füge ihnen Schmerzen zu, argumentieren einige Angehörige. Sie wollen keine Touristenbusse dort sehen. Die beiden Väter gehören zu einer grösseren Gruppe, die für den Erhalt plädiert. «Für mich ist dies ein Ort, an dem ich meine Tochter treffen kann», sagt Sato. «Wir müssen bewusst mit den schmerzlichen Erinnerungen leben.» Nur weil das Gebäude nicht mehr da sei, verschwinde nicht automatisch der Schmerz.

An keinem anderen Ort kamen 2011 durch den Tsunami so viele Kinder ums Leben wie an der Okawa-Grundschule. Sie wurde zu einem Symbol für die schlechte Vorbereitung der Lehrkräfte auf den Notfall und für lokale Behörden, die das Geschehene am liebsten totschweigen würden. Ein Einzelfall ist sie nicht. Auch im Falle des Hiyori-Kindergartens in der gleichen Stadt mauerten die Beamten so lange, bis die Angehörigen vor Gericht zogen. Nach den starken Erdstössen liess der Hortleiter die Kinder nach Hause bringen, obwohl der Bus dafür von einer sicheren Anhöhe hinunter in die Ebene musste, nur 200 Meter vom Meer entfernt. Unterwegs erfasste ihn der Tsunami. Der Fahrer fand sich später ohne Erinnerung ausserhalb des Fahrzeugs wieder und alarmierte den Hortleiter. Doch dieser tat nichts. Bis in die Nacht hätten Anwohner Kinder «Rettet uns!» rufen hören. Sie konnten den Bus aber im Dunkeln und unter dem Schutt nicht ausmachen. Vier Tage später fand man die Leichen von einer Betreuerin und fünf Kindern im ausgebrannten Fahrzeug, unter ihnen die sechsjährige Airi Sato.

Neue Städte, alte Wunden

Sie sei damals so voller Schmerz gewesen, dass es ihr die Luft abgeschnürt habe, sagt Airis Mutter, Mika Sato, eine mädchenhafte, freundliche Frau mit langem schwarzem Haar. «Anfangs dachte ich ständig, meine verstorbene Tochter sei alleine auf ihre letzte Reise gegangen, sie war doch erst sechs Jahre alt. Wenn ich nicht bei ihr bin, wird sie es schaffen? Es gab eine Zeit, da wollte ich nur so schnell wie möglich an ihre Seite», sagt Sato. Dass die heute 41-Jährige ihrer Todessehnsucht nicht nachgab, lag an ihrer zweiten Tochter Juri, damals drei Jahre alt. Es fällt auf, wie oft sie vom «Weiterlebenmüssen» spricht. Noch heute scheint das verstorbene Kind viel Raum in ihrem Herzen einzunehmen. Sie wolle nicht, dass ihre Tochter umsonst gestorben sei, sagt Sato, wenn sie erklärt, warum sie vor Gericht zog und warum sie mit den Medien spricht. Sonst gebe es ja nicht viel, was sie für Airi tun könne, sagt sie.

Chiho Shimura unterstützt Mika Sato dabei, ihren Verlust zu überwinden, auch zum Wohl der verbliebenen Juri. Die 49-Jährige gründete nach der Katastrophe die Hilfsorganisation Kokoro Smile. Diese kümmert sich in erster Linie um traumatisierte Kinder, aber auch um Erwachsene, die den Verlust ihrer Kinder betrauern. Für viele Hinterbliebene sei die Zeit stehengeblieben, sagt Shimura, es gebe keinen Fortschritt. «Nach aussen wirken sie in Ordnung, aber ihre Herzen sind verschlossen.» Sie sieht, dass überlebende Kinder wie Juri ebenso leiden – unter dem Verlust eines Geschwisters, aber auch unter mangelnder Zuwendung durch ihre trauernden Eltern. Alle Liebe scheine das verstorbene Kind zu bekommen. Dieses würde im Nachhinein häufig verklärt, während das lebende Kind auch einmal Fehler mache, die Eltern verärgere, sagt Shimura. Juris Mutter wähle noch heute die Lieblingsfarbe der älteren Schwester und koche deren Lieblingsessen. In einem Brief an die verstorbene Schwester schrieb Juri als Sechsjährige, diese solle doch die Eltern zum Lachen bringen. Das Mädchen selbst glaube nicht, dass es das könne, erzählt Shimura.

«Eigentlich hätte ich Juri besonders liebevoll behandeln sollen», räumt die Mutter Sato heute ein, «aber es war einfach nicht das Umfeld dafür.» Gemeinsam besuchen die Mutter und die inzwischen achtjährige Tochter regelmässig die Kunsttherapie im «Kokoro Smile House» von Shimura, einem mit rosa Kirschblüten beklebten, ausgebauten Baucontainer auf einer Anhöhe am Rand von Ishinomaki.

Seit einem knappen Jahr trifft sich Mika Sato dort ausserdem zweimal im Monat mit anderen Frauen in der gleichen Lage zum Tee. Das helfe ihr sehr. Im Container steigt vom Boden des Metallgehäuses Kälte auf, der trotz einem Heizofen kaum beizukommen ist. Dafür ist die Atmosphäre im Raum umso wärmer. Die Frauen begrüssen sich herzlich, als wären sie alte Schulfreundinnen.

Eine Alltagssituation, die für viele der betroffenen Mütter einem Spiessrutenlauf gleicht und deshalb immer wieder zu reden gibt, ist das Einkaufen im Supermarkt. Manche fahren extra zu weit entfernten Läden, wo sie niemand kennt. Sie wollen auf keinen Fall die Mütter früherer Spielkameraden ihrer Kinder treffen. «Die sagen dann ‹Oh, Sie sehen ja gut aus, was für ein Glück›», erzählt Mika Sato. «Das verletzt mich.» Es mache sie traurig und neidisch, deren Kinder aufwachsen zu sehen.

Wenn das Gespräch in der Runde versiegt, schaltet sich Shimura behutsam ein, gibt Stichworte und Ratschläge. Während sie versucht, für alle ein offenes Ohr zu haben, muss sie die Finanzen im Auge behalten. 100 000 Yen, umgerechnet 880 Franken, fallen pro Monat an Kosten an. Shimura selbst arbeitet ohne Gehalt und lebt vom Ersparten. «Momentan haben wir nur noch Geld bis März», schreibt sie spürbar gestresst ein paar Tage später, «dann müssen wir vielleicht den Betrieb einstellen». Alle Eltern, die sie betreue, seien einmal zur Behandlung im örtlichen Krankenhaus gewesen, sagt Shimura. Dort hätten sie oft nur Medikamente bekommen, ohne dass der Arzt ihnen ins Gesicht geschaut habe. Beim Versuch, Familien gemeinsam zu therapieren, hätten die Ärzte die Schuld an den Problemen häufig den Müttern zugeschoben. Einige seien dadurch ein zweites Mal traumatisiert worden. Zwar gebe es eine psychologische Beratungsstelle in Ishinomaki, aber diese beschränke die Gesprächsdauer am Telefon auf strikte zehn Minuten und schliesse um 16 Uhr. «Das ist viel zu kurz», kritisiert Shimura. «Gerade abends denken doch viele Leute an Selbstmord!» Oft sei sie daher noch bis in die Nacht in Kontakt mit Hinterbliebenen – über Telefon oder soziale Netzwerke.

Teenager mit Flashbacks

Dabei beobachtet Shimura fünf Jahre nach dem Tsunami eine Trendwende: Kinder, die bis jetzt – nicht zuletzt für die Eltern – die Zähne zusammengebissen hätten, würden nun auffällig, auch wenn sie auf den ersten Blick gesund wirkten. Die Kinder hätten Angst, alleine zu sein, würden depressiv oder schizophren. Einige gingen länger nicht zur Schule, hätten Flashbacks oder würden im Teenager-Alter wieder zu Bettnässern. Auch das Geschlechterverhältnis ändere sich nun: Anfangs seien viele Mädchen und Frauen zu ihr gekommen, nun mehr Knaben und Männer. Als Mann Gefühle zu zeigen, ist in Japan verpönt, erst recht in der von Fischern und Bauern dominierten Männer-Kultur auf dem Land.

Es gibt Ausnahmen wie die beiden trauernden Väter der Grundschule. Diese fanden Trost und neuen Lebensmut in ihrem Einsatz für sicherere Schulen. Andere, wie der Vater von Airi Sato, haben Mühe anzuerkennen, dass ihr Kind tot ist. Ihr Mann weigere sich, die Hände vor dem Hausaltar für die Tochter zu falten, sagt Mika Sato. «Aber das ist bei Vätern wohl anders. Ich als Mutter denke, ich muss das für meine Tochter tun.» Sie zünde zweimal pro Tag vor der Foto ihrer Tochter ein Räucherstäbchen an und stelle Tee und Essen davor. Am Wachstum ihrer zweiten Tochter Juri bemerke sie, dass die Zeit doch vergehe, sagt Sato. Für Juri bereitet sie ein besonderes Geschenk vor: ein Album mit Bildern von zwei Puppen, die für die Geschwister stehen. Denn Juri hat sich vom Weihnachtsmann eine Weltreise gewünscht, vor allem für Airi. Nun nehmen immer wieder Reisende die Puppen mit ins Ausland und machen Fotos von diesen. Die Fotos der Puppen bekommt Juri nun nach und nach geschenkt.

«Wenn man sich umschaut, macht der Wiederaufbau der Städte Fortschritte», sagt Chiho Shimura. «Es liegt kein Schutt mehr herum. Und es gibt Tsunami-Schutzmauern. Aber der Wiederaufbau der Herzen ist verspätet.»

Tsunami in Japan Wasseranstieg wurde vermutlich durch Erdrutsch verstärkt

Der Tsunami in Japan wurde durch ein starkes Seebeben ausgelöst. Die zum Teil sehr hohen Wellen deuten allerdings darauf hin, dass der Tsunami lokal durch eine submarine Rutschung verstärkt wurde.
  • von Sven Titz
  • 7.10.2014, 05:30 Uhr

Lokal liefen die Wellen nach dem Tsunami im Jahr 2011 viel höher auf als erwartet. Möglicherweise wurden sie durch eine Hangrutschung verstärkt.

Auch dreieinhalb Jahre nach dem riesigen Tsunami, der Teile der japanischen Ostküste verheerte, veröffentlichen Forscher immer neue Studien zu der Katastrophe. Zu den offenen Fragen zählt unter anderem, warum die Wellen am Küstenabschnitt in den Präfekturen Iwate und Miyagi deutlich höher aufgelaufen sind als nördlich und südlich davon. Das Wasser stieg dort bis zu 40 Meter über den Durchschnittspegel. Jetzt hat ein Forscherteam eine mögliche Erklärung gefunden.¹ Ein von dem Seebeben ausgelöster submariner Erdrutsch könnte den Tsunami an der Küste erheblich verstärkt haben . Der Erdrutsch habe den Tsunami ungefähr auf das Doppelte des durch das Seebeben erklärbaren Wertes erhöht, sagt Stéphan Grilli von der University of Rhode Island, einer der Mitautoren der Studie.

Schon früher hatten Untersuchungen japanischer Wissenschafter darauf hingedeutet, dass es in der Umgebung des Megabebens von 2011 unterseeische Erdrutsche gegeben hat, die sich auf den Tsunami ausgewirkt haben könnten. Doch der genaue Ablauf war diffus geblieben. Die Forscher um David Tappin vom British Geological Survey wollten nun klären, ob ein Beben und ein anschliessender Erdrutsch tatsächlich einen Tsunami auslösen können, der die an der Küste beobachteten Merkmale aufweist. Dazu nutzten sie neben einem Computermodell für die Tsunami-Ausbreitung auch die Messdaten, die damals mit Bojen und Seismometern aufgezeichnet worden waren. Ausserdem werteten sie Vermessungen des Meeresbodens aus, die Hinweise auf eine Rutschung lieferten. Nach der neuen Studie war dieser Erdrutsch mit einem Volumen von ungefähr 500 Kubikkilometern viel grösser und ereignete sich weiter nördlich, als von anderen Forschern angenommen worden war.

Rätselhaft an dem Tsunami von 2011 sind abgesehen von seiner Höhe an der Küste auch die schnellen Schwankungen des Pegels. Von dem vertikalen Versatz des Meeresbodens durch das Beben wurden sie offenbar nicht verursacht. Denn bei dem Beben hat sich eine so grosse Zone verschoben, dass nur langsame, langgezogene Wellen ausgelöst werden konnten. Besser zu den schnellen Wellen passt das Gebiet des neu ermittelten unterseeischen Erdrutsches, das 40 mal 20 Kilometer misst. Grilli nimmt an, dass die submarine Erdbewegung Wellen mit einer Periodendauer von drei bis vier Minuten hervorgerufen hat. Ähnliche Schwankungen hat man in den Pegelmessungen an der Küste tatsächlich gefunden. Insgesamt passen die Tsunami-Ausbreitungsrechnungen des Teams um Tappin deutlich besser als früher zu den Beobachtungen von 2011.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Abschätzung der Tsunami-Gefahr in Japan überarbeitet werden muss. Demnach ist vor allem an der Küste von Iwate und Miyagi generell mit ungewöhnlich hohen Tsunamis zu rechnen, die nicht mit der Stärke eines Seebebens allein zu erklären sind. Das japanische Warnsystem ist auf diese Verstärkung von Tsunamis durch unterseeische Erdrutsche nicht ausgelegt und unterschätzt die Gefahr. Laut Grilli könnten spezielle Radarsysteme eine Vorwarnung liefern, bevor der Tsunami auf die Küste trifft; diese Systeme befinden sich aber erst in der Entwicklung

Japan marks fifth anniversary of devastating 3/11 disasters

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At 2:46 p.m. Friday, millions of people observed a moment of silence across Japan as the country marked the fifth anniversary of the March 2011 quake and tsunami that devastated coastal areas of the Tohoku region, killing at least 19,304 and leaving an additional 2,561 still unaccounted for as of Thursday.

The anniversary comes as about 174,000 evacuees from disaster-hit areas are still living outside their damaged hometowns.

They include more than 43,000 from Fukushima, most of whom are believed to have fled the radioactive fallout from Tokyo Electric Power Co.’s Fukushima No. 1 nuclear power plant, which was wrecked by the killer tsunami.

On Friday, a memorial ceremony organized by the government and held in Tokyo was attended by Emperor Akihito, Empress Michiko and Prime Minister Shinzo Abe, as well as three representatives of survivors from Iwate, Miyagi and Fukushima prefectures, the three main areas devastated in the disasters.

Likewise in many places throughout Tohoku, memorial ceremonies were held with a moment of silence observed at 2:46 p.m., the moment when the magnitude-9.0 quake rocked the region, triggering the gigantic tsunami that struck five years ago.

“On this day five years ago, I was a senior high school student and, as was our daily custom, my grandfather saw me off at the front door and my father drove me to the train station,” Hisato Yamamoto, 22, a representative from Iwate Prefecture, said in a speech at the ceremony in Tokyo.

“The body of my grandfather was found a few days later. … My beloved father has never come home to us,” she said.

Her father, Sachio Yamamoto, was a firefighter. He went missing after rushing to close a coastal barrier floodgate to save the town of Miyako, Iwate Prefecture.

“I have pressed my mother for an explanation why he had to go,” she said.

“But today, I am proud of him and respect him for trying to protect people’s lives as a member of the town’s firefighting unit,” she said.

In his address, Emperor Akihito said progress has been made over the last five years, but many people continue to live under difficult conditions, both in the disaster-hit areas and the places they have evacuated to.

“It is important that everyone’s hearts continue to be with the afflicted, so that each and every person in difficulty, without exception, will be able to get back their normal lives as soon as possible,” he said.

In a paper released Thursday, the central government said that the “restoration of social infrastructure had been largely finished.”

According to the government, local residents have finished or are in the process of rebuilding 130,000 houses by themselves. In addition, another 9,000 structures have been built to move coastal communities to higher ground to avoid another tsunami, with 17,000 more public housing units constructed for disaster survivors.

At a news conference Thursday, Abe argued that the Tohoku region is continuing to “make steady progress” toward recovery.

“Now more than 70 percent of (disaster-hit) agricultural land has become ready for planting, and nearly 90 percent of fishery-product processing facilities have resumed operations,” Abe boasted at the news conference.

“Seeds of new industries are now evolving one after another in disaster-hit areas,” he added.

Many local residents and workers, however, continue to struggle.

Despite Abe’s words of praise for the recovery, just 48 percent of fishery-product processing plants in Aomori, Iwate, Miyagi, Fukushima and Ibaraki prefectures have seen sales recover to 80 percent or more of their pre-disaster levels, according to a survey conducted by the Fisheries Agency from November through January.

In many Tohoku cities and towns, the fishing industry is considered one of few indigenous sectors that could support local economies once the central government begins to cut its massive spending on reconstruction work in the region.

Disaster-hit coastal communities are also facing a graying and shrinking population, which will make it even more difficult for local towns to recover from the lingering effects of 3/11.

According to a poll conducted by the daily Mainichi Shimbun newspaper, 16 of 42 mayors of cities and towns in Iwate, Miyagi and Fukushima prefectures said they expect the populations of their municipalities will dwindle more than 10 percent over the next decade.

Meanwhile, at the crippled Fukushima No. 1 plant, problems remain far from solved.

Tepco said it will take another 30 to 40 years to finish work to decommission the heavily damaged reactors, given the deadly levels of radiation still emanating from melted nuclear fuel somewhere within the reactor buildings.

Another big headache is the growing number, currently at about 1,000, of massive tanks that have been set up within the plant compound to hold some 800,000 tons of contaminated water.

Tepco has already processed about 600,000 tons with its Advanced Liquid Processing System (ALPS), which is capable of removing 62 kinds of radioactive material from tainted water. But the machine is unable to remove radioactive tritium, the reason Tepco must continue building an ever-rising number of tanks to hold the tainted water at the Fukushima plant.

Meanwhile, the Abe administration is now gearing up to reactivate more of the nation’s 42 commercial reactors that remain shut down in the wake of the Fukushima nuclear crisis. Off the 44 total reactors, two in Satsumasendai, Kagoshima Prefecture, have already been reactivated despite protests by anti-nuclear activists.

Utilities are applying for safety checks by the Nuclear Regulation Authority to reactivate another 22 reactors nationwide.

“Nuclear power is indispensable for our country, which has few natural resources, to secure stable energy supplies while addressing climate change issues,” Abe said at Thursday’s news conference.

He also claimed that a set of new safety standards introduced after the Fukushima disaster “are the strictest in the world” and that his government would promote the reactivation of reactors once they pass the screening by the NRA.

Neue Produkte, erfunden aufgrund der Katastrophe

(東日本大震災5年)3・11の経験、商品に生かす 被災時の味方、次々

2016年3月12日05時00分

 未曽有の被害をもたらした5年前の東日本大震災は、企業にとって、被災時に求められる商品やサービスを考え直すきっかけになった。非常時に威力を発揮する通信サービスや避難生活に必要な商品は大きく改良されたほか、被害を軽くする技術開発も進んだ。

今や国内で約6800万人が使う無料通信アプリ「LINE(ラログイン前の続きイン)」。誕生のきっかけは大震災だった。ラインの運営会社は、電話がつながりにくい中でも「大切な人と連絡を取れるサービスが必要だ」と判断。急ピッチで開発し、3カ月後にサービスを始めた。こだわりは、相手がメッセージを読んだか分かる「既読」機能をつけたこと。相手に返信する余裕がなくても、既読と分かれば安心する。そんな思いを込めた。

その後、避難所など重要な情報を抜き出して管理できる機能もつけた。

避難時に必要な物資の開発も進んだ。ハウス食品は、熱湯や電子レンジがない場所でも食べやすいレトルトカレーを発売。常温でも固まらない油脂に変えたという。

パナソニック文庫本サイズの太陽光パネルを備えたLEDライトをつくった。緊急時には1台で電気をつくってため、携帯電話の充電にも使える。

アキレスは、公共交通機関がとまり、6時間歩いて自宅に帰った社員の体験から、順天堂大学とともに「疲れにくい中敷き」を開発。20キロ歩けると打ち出したパンプスシリーズを2013年に投入した。

積水ハウスは、女性専用の仮設トイレを14年に開発した。「汚い」「怖い」といった不満の声を受け、広さを普通の仮設トイレの約2倍に。室内には荷物台や防犯ベルなども付けた。

被害を減らす技術開発では、帝人が、ポリエステルの不織布を素材にした天井材「かるてん」を展開する。学校の体育館など全国で少なくとも2千件の天井崩落があった教訓を生かし、重さを一般的な石膏(せっこう)ボードと比べ約10分の1にし、仮に落ちてもけがをしにくくした。レストランの天井に採用した富士スピードウェイ静岡県)の施設管理者は「東南海地震に備えて、安心できるものを選んだ」と話す。

シャープは地震の揺れを感じると冷蔵庫ドア上部のレバーが働き、自動的に開かなくする「対震ロック」を一部機種に採用した。

一方で、あまり普及していない商品やサービスもある。損害保険各社は12年1月、自動車保険の特約で「車の地震保険」をつくった。ただ、保険金が最大50万円で、受け取れるのは全損時のみという条件もあり、特約をつけた割合は1~5%にとどまる。ある損保幹部は「拙速につくった面は否めない」とこぼす

Fukushima-Jahrestag : Der Super-GAU in den Köpfen

Japan auf Jahrzehnte verseucht, Hunderte verstrahlt, Unzählige an Krebs gestorben. So stellte man sich die Folgen von Fukushima vor. Doch vieles ist anders gekommen.
Von Sven Stockrahm und Dagny Lüdemann
11. März 2016, 9:14 Uhr 180 Kommentare

 

Ein Arbeiter im Februar 2016 auf der Anlage des havarierten AKW Fukushima-Daiichi: Im Hintergrund ist der Reaktorblock 1 zu erkennen. Seine Hülle flog vor fünf Jahren als erstes in die Luft.

Ein Arbeiter im Februar 2016 auf der Anlage des havarierten AKW Fukushima-Daiichi: Im Hintergrund ist der Reaktorblock 1 zu erkennen. Seine Hülle flog vor fünf Jahren als erstes in die Luft. © Toru Hanai/AFP/Getty Images

Der Super-GAU in den Köpfen

Ein Tsunami trifft ein Atomkraftwerk. Der Strom fällt aus. Brennstäbe überhitzen. Reaktoren explodieren. Radioaktivität entweicht. Super-GAU.
Als am 11. März 2011 das schwerste Beben in der Geschichte Japans das AKW in Fukushima außer Kontrolle bringt, sehen viele die Welt vor dem Untergang. Schon nach zwei Tagen scheinen die Tausenden Toten vergessen, die in den Stunden nach dem Seebeben von Tsunami-Wellen getroffen wurden.
Atomangst beherrscht die Menschen. Aber nicht nur die in Japan, sondern auch und vor allem jene, die weit entfernt von Fukushima den Super-GAU im Fernsehen oder im Internet verfolgen. Das zweite Tschernobyl. Japan, für Generationen vergiftet. Und wenn das nächste Beben kommt, vielleicht der ganze Planet.

CHRONOLOGIE EINES GAUS
DER TSUNAMI
ATOMARER NOTFALL
EXPLOSION AM AKW
FALLOUT ÜBER FUKUSHIMA
KATASTROPHALER UNFALL
VORLÄUFIGE BILANZ

 

Blick auf Japan aus der Satellitenperspektive

Blick auf Japan aus der Satellitenperspektive © Nasa/Goddard/SeaWiFS/ORBIMAGE

11. März 2011, 14.46 Uhr: Das schwerste Erdbeben in der Geschichte Japans erschüttert zweieinhalb Minuten das Land mit einer Stärke von 9,0. Das Epizentrum liegt rund 130 Kilometer vor der Ostküste der Hauptinsel Honshu. Die Auswirkungen sind dramatisch: Auf dem Meeresgrund reißt die Erdkruste auf 400 Kilometern Länge, Teile der Küste verlagern sich ruckartig um bis zu 50 Meter nach Osten. Eine Fläche so groß wie Schleswig-Holstein hebt sich um einige Meter an.

Dieses Worst-Case-Szenario ist nicht eingetreten. Ein Grund, sich zu freuen? Keinesfalls. Aber Anlass genug, sich sechs Dinge klarzumachen, die anders sind, als viele vor fünf Jahren dachten.

1. Die Katastrophe war der Tsunami

Auf den ersten Blick scheint heute alles halb so schlimm. Nicht ein einziger Mensch ist seit dem GAU nachweislich durch die Strahlung gestorben. Und bis auf einen statistisch kleinen und bisher nur vermuteten Anstieg der Fälle von Schilddrüsenkrebs unter Kindern rechnen Mediziner kaum mit gesundheitlichen Spätfolgen. Selbst das beschädigte AKW, aus dem immer noch radioaktives Wasser sickert, soll einigermaßen unter Kontrolle sein.
Was dabei vergessen wird: Während der Erdstöße nach dem Seebeben und durch die so ausgelösten Tsunami-Wellen sind mehr als 15.000 Menschen gestorben. Mehr als 2.500 gelten noch als vermisst. Hafengebiete und kleinere Städte wurden von den Wassermassen überrollt und vernichtet. Die Schäden werden auf umgerechnet mehr als 180 Milliarden Euro geschätzt. 122.000 Gebäude zerstörte die Naturkatastrophe komplett, 278.000 zur Hälfte, weitere 726.000 wurden teilweise beschädigt. 470.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen, viele waren plötzlich obdachlos.
Bis jetzt leben knapp 200.000 von ihnen in Übergangswohnungen, 70.000 sogar noch in Containerdörfern, die als Notunterkünfte direkt in den Wochen nach dem 11. März 2011 errichtet wurden und eigentlich nur zwei Jahre halten sollten.

Gleichzeitig rühmen sich die Regierung Japans und die dazugehörige Agentur für Aufbau mit ihren Erfolgen (hier nachzulesen).
Wer Verwandte außerhalb der vom Tsunami betroffenen Region hatte oder genügend Geld, hat die provisorischen Unterkünfte und Übergangswohnungen längst verlassen. Zurückgeblieben sind vor allem ältere und ärmere Menschen. Viele wissen nicht, wohin.
Fukushima noch immer kontaminiert
Fünf Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Japan ist eine vollständige Dekontaminierung noch nicht absehbar. Kritiker werfen der japanischen Regierung vor, seit dem Super-GAU weitere vier Reaktoren hochgefahren zu haben.

 

2. Krebsfälle dürften kaum zunehmen

Tote in unmittelbarer Folge der Strahlung, massenweise Krebserkrankungen und fehlgebildete Neugeborene – das sind die schlimmsten Befürchtungen nach einer Atomkatastrophe. Dass Radioaktivität eine unsichtbare Gefahr ist, potenziert die Angst zur Hysterie.
Die Realität ist eine andere und kaum zu glauben: Krebs ist 30 Jahre nach Tschernobyl nicht das größte Gesundheitsrisiko der Region, Angststörungen, Depressionen, Alkohol- und Drogensucht waren die größten Gesundheitsgefahren nach der Katastrophe. Noch weniger ist Krebs fünf Jahre nach Fukushima das größte Gesundheitsrisiko in Tohoku, dem Nordosten Japans, in dem Fukushima liegt.

Zweifellos schaden bereits geringe Mengen radioaktiver Teilchen den Zellen des menschlichen Körpers. Allerdings zerfallen auch in der Natur jederzeit und überall radioaktive Partikel. Die einzige Tumorerkrankung, die Mediziner nach Reaktorunfällen direkt als Folge radioaktiver Strahlung ausmachen können, ist Schilddrüsenkrebs. Diese Krebsart häuft sich, wenn Menschen nach einem Atomunfall radioaktives Jod einatmen oder über die Nahrung aufnehmen.

GESUNDHEITSFOLGEN NACH TSCHERNOBYL UND FUKUSHIMA
LANGZEITFOLGEN UND PSYCHOLOGIE
Strahlentote
134 Arbeiter in Tschernobyl bekamen direkt nach dem GAU extrem viel Radioaktivität ab. 28 von ihnen starben in den ersten vier Monaten an inneren Blutungen, Geschwüren und Organversagen. In Fukushima erkrankte niemand an einer akuten Strahlenkrankheit.

Krebserkrankungen
Radioaktives Jod reichert sich im Körper an und fördert Schilddrüsenkrebs, der gut behandelbar ist. Nach Tschernobyl erkrankten etwa 6.000 Menschen, bis 2005 starben laut UN 15 von ihnen. In Japan flohen die Menschen frühzeitig. Die Krebsfälle werden kaum messbar sein.

Nach der Katastrophe von Tschernobyl vor 30 Jahren beobachteten Epidemiologen unter den rund sieben Millionen Menschen in den kontaminierten Gebieten etwa 6.000 zusätzliche Schilddrüsenkrebserkrankungen. Auf der Basis der Daten, die Forscher in den Jahrzehnten nach Tschernobyl gesammelt und ausgewertet haben, lässt sich einigermaßen abschätzen, dass die Folgen in Japan weniger gravierend sein werden. Denn anders als 1986 flohen nach dem GAU in Fukushima die meisten der rund 156.000 Menschen rechtzeitig. Sie verließen die Region, ehe entzündeter Wasserstoff die Betonhüllen dreier Reaktoren sprengte. Zudem entwich im Vergleich zu Tschernobyl nur ein Fünftel der Radioaktivität. Fast 80 Prozent verteilten sich über dem Meer vor Japans Küste.
3. Die Prognosen sind unsicher

Die Prognosen über die Zahl zu erwartender Krebsfälle ermitteln unabhängige Experten der Vereinten Nationen in einem Komitee namens UNSCEAR. Für Fukushima und die Region Tohoku gehen sie grundsätzlich davon aus, dass es keine messbare Zunahme von Krebsfällen unter Erwachsenen geben wird.
Warum aber kursieren so dramatisch unterschiedliche Opferprognosen? Für Tschernobyl reichen die Schätzungen von weniger als 10.000 Toten infolge der Katastrophe bis hin zu mehr als 1,7 Millionen.

Um die Zahl der Krebstoten nach einem Atomunglück zu berechnen, müssen Experten spekulieren, auch wenn es viele Daten und Messergebnisse gibt. Schließlich ist es praktisch unmöglich, bestimmte Krankheiten, die zum Teil Jahre oder Jahrzehnte nach einem solchen Strahlenunfall auftreten, mit radioaktiver Exposition in Verbindung zu bringen.
Ein erhöhtes Krebsrisiko lässt sich erst ab einer Jahresdosis von mehr als 100 Millisievert feststellen. Japanische Wissenschaftler wissen dies seit den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im Zweiten Weltkrieg. Wer in Rechenmodellen diesen Schwellenwert von 100 Millisievert ignoriert, wie es viele Umweltaktivisten tun, kommt auf mehr Tote. Wer den Schwellenwert berücksichtigt, erkennt: Rein rechnerisch taucht so etwa ein zusätzlicher Krebsfall unter 100 Menschen in der Gesamtbevölkerung auf. Allerdings gilt für die meisten Industrienationen: Etwa 40 dieser 100 Menschen würden in ihrem Leben ohnehin an einem Tumor erkranken. Im statistischen Rauschen verliert sich somit der direkte Zusammenhang zwischen Krebs und Radioaktivität.

Die Zahl der Schilddrüsenkarzinome unter Kindern könnte laut UNSCEAR nach der Nuklearkatastrophe an der japanischen Ostküste minimal ansteigen (White Paper Fukushima, UNSCEAR, 2015). Das allerdings ist schlimm genug.
Aus diesem Grund fahndeten Mediziner seit Ende 2011 in den Schilddrüsen aller, die zum Zeitpunkt des Atomunglücks unter 18 Jahre alt waren und in der Präfektur Fukushima lebten, nach Knötchen und bestimmten Zellen, die sich zu Krebs entwickeln könnten. Per Ultraschall wurden 370.000 Kinder und Jugendliche untersucht.
Bis Dezember 2014 hatten Mediziner auf 2.251 Ultraschall-Aufnahmen etwas Auffälliges entdeckt (Epidemiology: Tsuda et al., 2015). 2.067 Fälle wurden genauer untersucht, 110 davon klassifizierten die Forscher als Krebs. Von diesen 110 Patienten wurden 87 operiert, in 86 Fällen davon bestätigten Gewebeuntersuchungen den Krebsbefund. Allerdings, und das ist entscheidend: Nur in einem Fall wurde ein bösartiger Tumor gefunden.

In ihrer Analyse gingen die Forscher ziemlich weit und sprachen vier Jahre nach der Katastrophe von einem Anstieg der Schilddrüsenkrebsfälle unter Kindern und Jugendlichen.

Andere Wissenschaftler kritisierten diese Studie als mangelhaft und irreführend: Man dürfe Vorstufen von Krebszellen und bestimmte Knötchen nicht gleichsetzen mit tatsächlichen Tumorerkrankungen. Ein weiterer Minuspunkt: Die Studie beschreibt nicht, welchen Strahlendosen die Untersuchten ausgesetzt gewesen sein könnten.
Doch woher stammen die winzigen Knötchen und Zysten, wenn sie keine Folge des Fallouts sind? Möglich ist ein einfacher Beobachtungseffekt: Nie zuvor wurden Hunderttausende Menschen innerhalb von vier Jahren so intensiv mit modernstem Ultraschall gescannt wie in Fukushima.
Wie viele der Kinder und Jugendlichen tatsächlich ein bösartiges Schilddrüsenkarzinom bekommen, wird man erst in einigen Jahren feststellen. Im Vergleich zu anderen Tumoren lassen sich Karzinome an der Schilddrüse jedoch gut behandeln. Die Wahrscheinlichkeit, die 20 Jahre nach der Diagnose zu überleben, liegt bei rund 90 Prozent, über alle Altersgruppen hinweg.

4. Das Schlimmste sind die psychischen Folgen

In den fünf Jahren seit der Reaktorkatastrophe in Japan beobachten Wissenschaftler aus Fukushima in der Bevölkerung psychische Probleme. Vor allem unter den Menschen, die vor dem GAU in einem Umkreis von 30 Kilometern um das Kraftwerk gelebt hatten. Fast 15 Prozent dieser rund 60.000 Flüchtlinge berichteten von Angststörungen, Schuldgefühlen oder Depressionen. Normalerweise erleben so etwas nur drei Prozent der Bevölkerung (Suzuki et al., Bulletin of the WHO, 2015).
Die Ursachen für solche Probleme wurden schon nach Tschernobyl deutlich: Die meisten Flüchtlinge wurden mit ihrer Verzweiflung weitgehend allein gelassen und nicht aufgeklärt. Sie hatten ihre Heimat verloren, lebten ausgegrenzt und mit der Angst, Krebs zu bekommen. Auch Herz-Kreislaufkrankheiten oder Diabetes traten wegen der schlechten Lebensumstände gehäuft auf – nicht aber wegen der Radioaktivität. Gleichzeitig kamen tatsächliche Strahlenopfer kaum zu ihrem Recht. Einige von ihnen kämpfen bis heute für Entschädigungen.

Zigtausende leiden wohl bis heute unter Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen. Unter den mehr als 600.000 Arbeitern, Soldaten und Feuerwehrmännern, die vier Jahre lang die AKW-Ruine von Tschernobyl zu sichern versuchten, liegt die Selbstmordrate anderthalbmal höher als im Rest der Bevölkerung.

 

Was wurde aus dem Sperrgebiet?

Das Netzwerk für psychologische Betreuung ist in der japanischen Region Tohoku ebenfalls dürftig. Viele Menschen wollen sich auch nicht behandeln lassen, zu groß ist das Misstrauen gegenüber der Regierung und den Behörden. Glaubwürdige Risikoexperten fanden bis heute kaum Gehör. Nicht zuletzt auch dank der AKW-Betreiberin Tepco, die die Angst vor Radioaktivität mit falschen Beschwichtigungen, verwirrenden Aussagen und zurückgehaltenen Informationen schürte.
5. Das Sperrgebiet wird kleiner

Während etwa 156.000 Menschen in der Präfektur Fukushima vor der Radioaktivität flohen, wurde im fernen Tokio die radioaktive Teilchenwolke simuliert, ihr Weg recht gut prognostiziert. Informationen darüber gelangten aber zunächst nicht in die Katastrophenregion. Als die Flüchtenden am Tag nach dem Erdbeben ihre Häuser eilig verließen, ehe die erste Explosion Fukushima-Daiichi erschütterte, wussten die meisten nicht, dass der Fallout ihnen folgte. Manche flüchteten deshalb unwissentlich in Gebiete, die stärker belastet wurden als ihre Heimat.
Bis heute ragt das absolute Sperrgebiet gen Nordwesten vom AKW landeinwärts, von Fukushima-Daiichi bis ins etwa 50 Kilometer entfernte Iiate. Einige Zonen dürfen nur tagsüber betreten werden oder noch seltener, andere überhaupt nicht.

Minamisoma, das nur 30 Kilometer nördlich des AKW liegt, war dagegen einer der ersten Orte, in denen die Regierung die Evakuierungszone aufheben ließ – kaum ein halbes Jahr nach dem GAU. Die Belastung mit radioaktiven Partikeln, vor allem im Norden des einstigen 70.000-Einwohner-Ortes, ist bis heute gering. Seit April 2014, Oktober 2014 und schließlich September 2015 sind auch Tamura, Kawauchi und Naraha offiziell nicht mehr Evakuierungszone (siehe Karte).

Evakuierungszonen rund um das AKW Fukushima (Ende 2015)

Evakuierungszone 2015

An vielen Orten konnte die Dekontamination die Strahlung senken. Das Ziel ist, die Belastung zunächst auf unter 20 und langfristig auf unter ein Millisievert pro Jahr zu reduzieren.

Seit fünf Jahren versuchen spezielle Reinigungsteams, die ganze Region von langlebigen Stoffen wie radioaktivem Cäsium zu befreien. Wohnhäuser, Parks, Spielplätze, Schulen, Straßen und Felder werden mit Hochdruckreinigern bearbeitet.
Überall in Fukushima lagern mittlerweile Hunderttausende schwarzer Säcke auf mehr als 50.000 rasch eingerichteten Mülldeponien. Darin: abgetragene Erde und radioaktiv belasteter Schutt. Die Partikel, die dort strahlen, werden noch Jahrzehnte bleiben. Erst nach 30 Jahren ist die Hälfte zerfallen. In den Städten lassen sich die strahlenden Partikel noch gut von Beton und Häusern entfernen. Problematisch wird es in den weitläufigen Wäldern und auf offenen Feldern. Dort spült jeder Regen die Teilchen aus den Pflanzen und dem Unterholz weiter in den Boden.

Die meisten Menschen trauen den Messwerten nicht, sie glauben nicht, dass das Trinkwasser unbelastet ist. Von den landwirtschaftlichen Produkten ganz zu schweigen, wenngleich diese stetig auf radioaktive Partikel getestet werden.
Nur schrittweise kehren die aus Fukushima Geflohenen nach Hause zurück. Nur einige Hundert sind in den ersten Wochen nach der Evakuierung wieder etwa nach Naraha gezogen. Eine Geisterstadt, vom Erdbeben und dem Tsunami noch immer gezeichnet. Vor dem GAU lebten dort 7.400 Menschen. Nun hofft Japans Regierung, die Stadt könnte eine neue Heimat für Zehntausende Fukushima-Flüchtlinge werden, schreibt der Guardian-Korrespondent Justin McCurry, der dort war.

6. Japan steigt nicht aus der Atomenergie aus

Japan ist nicht aus der Atomkraft ausgestiegen, auch wenn es anfangs so aussah. Der ehemalige Premierminister Naoto Kan, der im Amt war, als die Katastrophe geschah, hatte für den Ausstieg gekämpft. Was er erlebte, verkehrte seine ursprünglich positive Haltung zur Kernkraft ins Gegenteil. Im Mai 2012 schaltete Japan den letzten aktiven Reaktor im Land ab.

Zu diesem Zeitpunkt war Kan bereits zurückgetreten. Sein Nachfolger Yoshihiko Noda verfolgte die Ausstiegspläne weniger hartnäckig. Er kündigte Ende 2012 an, Japan erst bis 2040 aus der Atomkraft aussteigen zu lassen. Die heruntergefahrenen Reaktoren sollten erst einmal wieder eingeschaltet werden, um die Energieversorgung bis zum Ausstieg zu sichern.

Einige Monate nach dieser Ankündigung wählten die Japaner Nado ab und Shinzō Abe zum neuen Premierminister. Nach dieser Wahl war von einer Abkehr keine Rede mehr. Shinzō Abe stoppte den Ausstieg – aus wirtschaftlichen Gründen. Japan braucht billige Energie, damit dort ansässige Unternehmen nicht abwandern. Shinzō Abe und seine Partei stehen der Wirtschaft nahe.

Der Ausstieg aus der Atomenergie scheint heute vielen weniger drängend, weil sie meinen, die Katastrophe von Fukushima wäre vermeidbar gewesen. Auch unabhängige Abschlussberichte über den GAU kommen zu dem Ergebnis: Der verlässlichste Auslöser von Katastrophen ist der Mensch, nicht die Technik. Hätte man mehr kontrolliert und reguliert, wären die Reaktoren schon vor Jahren verstärkt und aufgerüstet worden, hätte man Techniker und Arbeiter besser geschult, hätte die Regierung entschlossener in der Krise gehandelt – es wäre nichts passiert.

Doch allein auf die Technik zu vertrauen, macht die Kernenergie auch nicht sicher. Als Fukushima-Daiichi gebaut wurde, hatten die Planer das Tsunami-Risiko nämlich durchaus einkalkuliert. Aber sie rechneten nur mit vier Meter hohen Wellen. Vor dem GAU sollte das Kraftwerk noch einmal aufgerüstet werden, um Wellen von etwas mehr als fünf Metern aufzuhalten. Das ist nie passiert. Es hätte auch nicht geholfen, denn die Wassermassen, die am 11. März 2011 die Anlage überschwemmten, türmten sich fast dreimal so hoch auf.

Wo immer heute in Japan ein Reaktor hochgefahren werden soll, gibt es heute Proteste. Weltweit markiert Fukushima für viele Menschen, Politiker, Experten, Wissenschaftler eine Zeitenwende. Der Glaube, die Atomkraft habe lediglich ein Restrisiko, das wir tragen können, ist mit den Bildern der explodierenden Reaktorblöcke untergegangen.

Allerdings kehrten nur wenige Länder in der Folge der Atomenergie den Rücken, darunter Deutschland und die Schweiz. Belgien hatte 2011 angekündigt, ebenfalls den Atomausstieg zu wollen. Das Kraftwerk Tihange an der deutschen Grenze sollte 2015 abgeschaltet werden. Das geschah auch, aber nur weil es dort Pannen gab; anschließend ging es wieder ans Netz.

In Japan wurde im August 2015 der erste Reaktor wieder hochgefahren. Heute sind drei Reaktoren in Betrieb. Der Strompreis ist 34 Prozent höher als vor dem Super-GAU.

 

http://www.zeit.de/wissen/2016-02/fukushima-jahrestag-atomkraft-tsunami

5 Jahre nach dem großen Erdbeben im Nord Osten Japans

5 Jahre Tsunami

Welle und Mädchen

 

Wir gedenken in tiefer Trauer der Verstorbenen und der vielen Betroffenen der großen Erdbebenkatastrophe des 11.03.2011.

15.894 Tote konnten bisher indentifiziert werden und 2561 werden noch immer vermisst. Nachdem zunächst fast 500.000 Menschen in Notunterkünften Schutz (meistens Turnhallen und Tempel) suchten, wurden im Mai fast 400.000 in neu errichteten Containersiedlungen untergebracht – einer Person stand 9 m² und eine 5 köpfigen Familie 18 m² zu. – Jetzt – 5 Jahre später – leben noch immer über 170.000 Einwohner in temporären Siedlungen, die meisten davon in Fukushima. 3410 Menschen starben nach der Katastrophe, viele von ihnen starben einsam, häufig infolge von Depressionen und Vereinsamung. Dabei kommen die meisten aus Fukushima. Insgesamt hat die Katastrophe bisher 21865 Menschenleben gefordert.

An Verstrahlung ist bisher nachweislich keine Person gestorben. Bei Kindern aus Fukushima konnten bei 300.000 Untersuchungen ca. 110 Schildrüsenkrebsfälle entdeckt werden. Bei Umfragen gaben ca. 10 % der Betroffenen an, an Depressionen zu haben. Viele leiden daran, keine Arbeit zu finden und suchen Trost im Alkohol und Pachinko-Spiel. Ältere Frauen meistern die Situation besser als ältere Männe . Sie treffen sich häufig in Community Centern zu gemeinsamen Handarbeiten. Auch Kinder leiden unter der Enge der Container, in denen es vermehrt zu Misshandlungen kommt. Fischer und Bewohner beklagen die über 370 km errichteten Betonmauern, die überall in den Buchten und an den Flüssen entstehen. Teilwiese sind diese bis zu 15 m hoch. An vielen Orten kann noch kein Wiederaufbau stattfinden, da der Boden noch weiter angehoben wird. In einigen Orten sind aber schon neue Wohnsiedlungen auf neuem Bauland, das durch das Abtragen von Bergen entstanden ist, errichtet worden. Für viele Betroffene ist es schwierig, die Miete für die neu errichteten Sozialwohnungen zu bezahlen, deshalb bleiben sie so lange es geht, in den Containersiedlungen wohnen.

Hoffnung finden die Menschen in den alten Riten und Traditionen, den Shishi Odori, den Tigertänzen, Kagura und Musik. An den Schulen werden die traditionellen Tänze unterrichtet, in Orchestern Musik gemacht und viel Sport betrieben. Fast alle Kinder sind ambitioniert, sich  in der Zukunft für die Heimatstadt einzusetzen.

So haben wir eine Gruppe Oberschülerinnen der Otsuchi Highschool eingeladen, um ihnen die Gelegenheit zu geben, hier über ihre Erlebnisse zu berichten und mit deutschen Schülern gemeinsam zu musizieren. Wir freuen uns sehr auf ihr Kommen. Wir bedanken uns herzlichen bei allen Unterstützern.

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(いま伝えたい 「千人の声」2016)7割「震災前より体調悪化」 被災3県、住民アンケート

2016年3月11日05時00分

 東日本大震災の被災3県の住民に朝日新聞がアンケートした結果、震災前より体調が悪化したと答えた人が約7割に上った。収入が減った人も約6割いた。約半数の人は地域のつながりが薄れたと感じており、震災から5年たっても、被災した人たちを取り巻く状況は深刻だ。

■仮設暮らし「ひざ悪く」

アンケートは20ログイン前の続き12年から毎年、約1千人を対象に実施し、今年は619人から回答を得た。

体調については、震災前より「かなり悪くなった」が23%、「少し悪くなった」が46%だった。岩手県大槌町の仮設住宅で暮らす男性(67)は「狭い仮設では椅子を使えず、床に座る時間が長いので、ひざが悪くなった」と話す。

心の状態についても、震災前との変化を尋ねた(複数回答)。結果は「不安を感じることが増えた」48%、「気分が落ち込んだり、さびしくなったりする」37%、「イライラすることが増えた」28%、「あまり眠れない」25%など。悪化を訴える人が多く、「震災前と変わらず穏やか」は22%にとどまった。

岩手県山田町のアパートで暮らす自営業の女性(55)は「津波の映像を見ると亡くなった親戚を思い出し、寂しさが募る。自宅再建のめども立たず不安」。福島県楢葉町から同県会津美里町に避難している女性(77)は「原発事故で生活が一変し、気持ちが沈みがち。住まいが定まらず、精神的に不安定」という。

国や自治体に優先して取り組んでほしい課題(三つまで)では、「医療費の助成」が43%で昨年に続き最多。次いで「介護サービスの充実や福祉施設の再建・増設」30%、「月々の生活費の補助」28%など。昨年2番目に多かった「持ち家再建の資金支援」は、今年は24%で4番目だった。

■「世帯収入減」6割 福島「失業・廃業」25%

本人や世帯主の仕事の変化では、「震災前と同じ仕事」が46%、「転職」「失業・廃業」は各13%、「高齢で退職」が10%だった。

県別でみると、「震災前と同じ仕事」は岩手60%、宮城48%に対し福島29%。「失業・廃業」は岩手8%、宮城7%、福島25%だった。福島の回答者の74%は震災前と別の市町村に住んでおり、故郷を離れたことの影響がうかがえる。

震災前と現在の世帯収入の変化では、「減った」「無くなった」との回答の合計は福島67%、宮城61%、岩手57%。3県合計では6割を超えた。

福島県双葉町から同県いわき市に避難中の女性(41)は、両親と小学生の長男と4人暮らし。震災前は販売関係の会社員で月収は20万円近かった。

だが震災後に失職し、今は求職中で両親の年金と貯金が頼りだ。「なかなか条件に合う働き口がない。貯蓄を崩して生活する毎日」という。

■「仮住まい」43%、福島は半数以上 「地域の結びつき希薄に」51%

回答者の今の住まいは「仮設住宅」が36%、借り上げアパートなどの「みなし仮設」が5%で、親類宅も含めた「仮住まい」の人は43%(昨年61%)だった。仮住まいの人を県別にみると、岩手は42%(同59%)、宮城は35%(同58%)。福島は52%(同66%)で、なお半数以上に上った。

一方、自宅を再建・新築した人は37%(同26%)で、自治体が整備する災害公営住宅(復興住宅)は8%(同3%)。震災前の自宅に戻った人も6%いた。

地域の人の結びつきや近所づきあいについて、震災前との変化を尋ねると、「希薄になった」「どちらかといえば希薄に」が3県で計51%に上った。「密になった」「どちらかといえば密に」は計24%、「変わらない」も24%だった。

自宅を再建した人、災害公営住宅に入った人は、6割近くが希薄さを感じる一方、仮設住宅では4割強にとどまり、新たなスタートを切った人ほど、つながりが薄れたと感じている傾向が浮かんだ。

 

〈アンケート方法〉2012年に「いま伝えたい 千人の声」で取材した岩手、宮城、福島3県の被災者やその保護者のうち、転居先不明の人らを除く944人を対象に2月に郵送で実施。12年から毎年、同じ対象者にアンケートをしている。12年の取材時には全員が仮設住宅か「みなし仮設」で暮らしていた。

Grueße aus Fukushima

舞台は福島、「再生」のドイツ映画 ベルリン映画祭上映

ベルリン=伊藤恵里奈

2016年2月15日07時10分

 東日本大震災後の福島県を舞台にしたドイツ映画で、女優の桃井かおりさんも出演する「Fukushima, mon Amour(フクシマ、モナムール)」が13日(日本時間14日)、開催中のベルリン国際映画祭で上映された。

映画は、福島を訪れた若いドイツの女性が、仮設住宅で暮らす年老いた芸者と交流を深めながら、互いに喪失を乗り越え、再生に向かう物語。ドリス・デリエ監督が昨春、福島県南相馬市で撮影した。桃井さん演じる芸者は、岩手県釜石市で「釜石最後の芸者」といわれた故・伊藤艶子さんから着想を得たという。東日本大震災で被災した伊藤さんは仮設住宅で暮らし、今年1月に89歳で亡くなった。

作品はパノラマ部門で上映され、日本での公開は未定。会見でデリエ監督は、「実際に仮設住宅で暮らす方々に撮影に協力してもらい、震災当時のことをたくさん教わった。この大惨事を風化させてはいけない。日本で公開される日がくることを願っています」と語った。(ベルリン=伊藤恵里奈)

FIVE YEARS AFTER: Death toll of Fukushima evacuees tops 2,000

Evacuees from Namie take part in an exercise class at the Corasse Fukushima complex in Fukushima city. The monthly exercise class is held at six locations in the prefecture for Namie evacuees. (Yuki Chai)

Evacuees from Namie take part in an exercise class at the Corasse Fukushima complex in Fukushima city. The monthly exercise class is held at six locations in the prefecture for Namie evacuees. (Yuki Chai)

March 08, 2016

THE ASAHI SHIMBUN

For days, neighbors lost sight of a man in his 50s who frequently took taxis from his temporary housing in Fukushima Prefecture to go out drinking.

A relative using a key borrowed from the local government office opened the man’s front door and found him dead at the entrance. The cause of death was apparently liver cirrhosis.

“The psychological stress from a life as an evacuee may have pushed him more toward the alcohol that he already loved,” a local source said.

In the five years since the accident started at the Fukushima No. 1 nuclear plant, 2,024 evacuees, including the hard-drinking man, have officially died of causes, often psychological, related to the 2011 triple disasters.

That death toll exceeds the 1,604 Fukushima residents who were directly killed by the Great East Japan Earthquake and tsunami.

Over the same five-year period, the number of people who died of acute radiation exposure to substances spewed from the stricken plant is zero.

Life in evacuation has taken a heavy toll.

“The results cannot be simply attributed to the advanced age of the evacuees,” said Akira Isaka, an adviser to the Futaba county medical association who conducts health checks on evacuees. “A decrease in exercise due to life as an evacuee, stress, uncertainty about the future or the sense of hopelessness from having lost one’s purpose in life–an accumulation of all such factors has likely led to a worsening of their physical and psychological health.”

The evacuee who died in spring last year was originally from Katsurao, a village from which all residents were ordered to evacuate after the nuclear accident. The man lost his job on a ranch there.

An evaluation committee consisting of individuals from neighboring municipalities certified the man’s death as related to the 2011 disasters.

Certification of deceased individuals who were responsible for maintaining the livelihood of a household entitles bereaved family members to 5 million yen ($44,000) in condolence money from the central and local governments. For bereaved family members of all other individuals, a payment of 2.5 million yen is made.

Another evacuee whose death was certified in February 2015 as disaster-related was Hiroshi Monma. He was 70 when he died in July 2014 from complications arising from pneumonia.

Monma once taught at a senior high school in Namie, Fukushima Prefecture.

According to his wife, Shoko, 73, Monma’s health declined rapidly after they evacuated to Tokyo following the nuclear accident. Six months later, he often could be heard muttering, “There is no use in living.”

Although there are more certified disaster-related deaths than direct deaths from the quake and tsunami, doctors involved in the certification process believe the number may not tell the entire story.

Many bereaved family members do not submit applications for such certification because it requires detailed health records.

The number of suicides among Fukushima disaster victims is also much higher than in the two prefectures that were also hard hit by the quake and tsunami.

According to Cabinet Office statistics, 80 evacuees in Fukushima Prefecture had killed themselves as of the end of 2015.

The annual number of suicides in Iwate and Miyagi prefectures has declined over the past five years. But the number in Fukushima for 2015 was 19, up from 15 in 2014.

Signs of depression were seen in 10 percent of residents of the 12 municipalities that were declared evacuation zones, according to a Fukushima prefectural government study. Although that ratio was an improvement over the level immediately after the nuclear accident, it is still about three times the national average.

“The only way to deal with the situation is to continue steady efforts to encourage evacuees to undergo periodic health checks and to increase their opportunities for exercise,” said Tomoyoshi Oikawa, deputy chief of the Minami-Soma Municipal General Hospital.

Mitsutoshi Kamata, 60, who heads a neighborhood association for temporary housing built adjacent to a residential area in Otama for evacuees from Tomioka, believes the displaced residents should look out for each other.

About 60 homes have been built for Tomioka evacuees in Otama.

Kamata came up with the idea of having the evacuees use yellow flags to show they are OK.

Yellow ribbons are a universal symbol of hope for those waiting to see their loved ones come home. Kamata’s idea stemmed from the flying of a yellow ribbon in a popular movie titled “The Yellow Handkerchief” in English and starring Ken Takakura.

Every morning, yellow flags the size of handkerchiefs are raised in front of each home’s entrance, showing that the seniors living alone inside are fine. The flags are lowered at night.

One evening, the flag was still up in front of the home of an elderly man living by himself. He was found complaining of pain. The flag might have saved his life.

“We will not be able to prevent solitary deaths just with the flags,” Kamata said. “It is important to have people around you who might realize something is wrong.”

(This article was written by Yuri Oiwa, Makoto Takada and Mana Nagano.)

THE ASAHI SHIMBUN